Kurze Mamma-MRT Protokolle – ein Überblick

Kurze Mamma-MRT Protokolle – ein Überblick

Verkürzte Mamma-MRT Protokolle durchdringen immer mehr die klinische Routine. Die Ansätze haben je nach Risikogruppe unterschiedliche Stärken und Schwächen.

  • Datum:
    14.01.2021 1 Kommentare
  • Journal:
    RadioGraphics 2020; 40:1507–27
  • Titel:
    Abbreviated and Ultrafast Breast MRI in Clinical Practice
  • Autor:
    Yiming Gao et al.
    Zur Originalstudie

„Die verkürzte Mamma-MRT ergänzt das Mammographie-Screening. In Zukunft könnte die verkürzte Mamma-MRT auch als eigenständige Screening-Methode eine Rolle spielen.“

Yiming Gao, New York University Langone Hospitals


Yiming Gao, New York University Langone Hospitals, beschreibt die Stärken und Schwächen unterschiedlicher Protokolle. Sie erläutert, inwiefern sich die Interpretation der kurzen Protokolle von denen der Standard-MRT-Protokolle unterscheidet.

Hintergrund

Für kurze und ultrakurze (ultrafast) Mamma-MRT Protokolle in der klinischen Routine spricht Einiges. Sie bilden die Heterogenität von Brustkrebserkrankungen ab und sie könnten Nachteile der Mammographie ausbügeln: Nach MRT treten weniger Intervallkarzinome auf, die diagnostische Genauigkeit ist höher, die Zahl der Überdiagnosen kann sinken.

Darüber hinaus birgt die funktionelle MRT das Potenzial, noninvasive Tumoren zu typisieren – auf Basis von Radiomics und Radiogenomics. Dies ermöglicht eine immer individuellere Brustkrebstherapie.

Hauptaussagen zu kurzen Mamma-MRT Protokollen

  • Im Vergleich zur Mammographie erfasst die MRT hochgradigere und invasivere Karzinome.
  • Die kurzen MRT-Protokolle maximieren die Erkennbarkeit der Läsionen, denn die Bilder entstehen zum Zeitpunkt des größten Enhancement-Unterschieds zwischen Tumor und Brustparenchym – in der ersten Postkontrast-Sequenz.
  • Weil die späte Phase fehlt, lassen die kurzen Sequenzen keine Aussagen zur konventionellen Kontrastkinetik zu.

Aber: Die Kinetik der ultrakurzen MRT kann außerordentlich gut zwischen gut- und bösartigen Läsionen unterscheiden – besser als die konventionelle Kontrastkinetik. Dadurch erhöht sich die Spezifität deutlich.

Denn: Maligne Läsionen reichern früh, schnell und stark an. Deshalb sind sie im Vergleich zu gutartigen Läsionen vergesellschaftet mit 1. einer signifikant kürzeren Time-to-enhancement (TTE, der Zeitraum zwischen Enhancement der Aorta und Enhancement der Läsion), 2. einem steileren Anstieg der Anreicherungskurve und 3. einer höheren Initial Enhancement Rate (IER, entsprechend dem Signalanstieg über die Baseline bei der ersten Bildakquisition nach Kontrastmittelgabe in Prozent).

  • Die kurzen Protokolle sind dafür ausgelegt, aggressive Tumoren im Screening-Setting zu entdecken. Sie sind allerdings nicht für die genaue diagnostische Einordung eines Mammakarzinoms optimiert.

Vorteile kurzer Protokolle

  • Auffällige Läsionen: Mammatumoren reichern Kontrastmittel (KM) typischerweise 120 Sekunden nach i.v.-Gabe maximal an. Das Brustparenchym erreicht den Kontrastmittel-Peak erst nach etwa 300 Sekunden.
    Die ultrafaste MRT betrachtet nur das Zeitfenster kurz nach KM-Gabe: Das schnelle und starke Enhancement maligner Läsionen erlaubt es, diese Tumoren auf einen Blick zu erkennen – noch bevor das Parenchym sichtbar wird. Das verbessert die Sensitivität gerade in sonst schwierig einschätzbaren Brustarealen, zum Beispiel retroareolär, axillär und im medial-posterioren Brustanteil.
  • Funktionelle Aussagen: Die funktionelle Darstellung der Tumorgefäße ist prognostisch hilfreich. Der starke initiale KM-Anstieg und der rapide Washout lassen sich über die Tumor-Neoangiogenese erklären: Die Tumorgefäße sind porös, was den Wash-In, aber auch die venöse Drainage der Tumoren verstärkt.
    Die in der MRT stärkere Gefäßzeichnung der betroffenen Brust im Vergleich zur kontralateralen Brust ist ein unabhängiger Prädiktor für Malignität – allein durch Inspektion der Scans mit bloßem Auge.

    Der in der MRT messbare maximale Gefäßdurchmesser ist in von malignen Tumoren betroffenem Gewebe signifikant größer als in der gesunden Brust.

    Außerdem können immunhistochemische Methoden die Dichte der Tumorgefäße inzwischen reproduzierbar messen. Ein Beispiel ist der sogenannte Chalkey-Count: Die Methode misst Antikörper auf CD31 – ein Molekül, das dem Thrombozytenendothel die Zelladhäsion ermöglicht. Mit hohen Messwerten verringert sich die Überlebensrate der Patientinnen.
    Diese Information ist unter anderem für die Behandlung von nodal-negative Patientinnen mit positiven Estrogen-Rezeptoren interessant, also einer Gruppe mit an sich guter Prognose. Sind Werte wie der Chalkey-Count hoch, sinkt die brustkrebsspezifische und die Gesamt-Überlebensrate. Diese Information hilft bei der Entscheidung für oder gegen eine adjuvante systemische Therapie.
  • Unterscheidung benigne vs. maligne: Die Kinetik des frühen Wash-Ins der ultrakurzen MRT unterscheidet gut- von bösartig besser als die konventionelle KM-Kinetik. Dies erhöht die Spezifität deutlich.

Im Schnitt sind Läsionen mit eine TTE von weniger als zehn Sekunden maligne, Läsionen mit einer TTE größer 15 Sekunden benigne und Läsionen mit einer TTE zwischen 10-15 Sekunden uneindeutig. Die Zahlen sind als Richtschur zu sehen, die Werte können je nach Methode variieren.

Nachteile kurzer Protokolle

  • Räumliche Auflösung: Die ultrakurzen Protokolle laufen bisher unter Studienbedingungen, sie sind noch keine klinische Routine. Im Moment geht die hohe zeitliche Auflösung aber auf Kosten der räumlichen Auflösung. Als alleinige diagnostische Methode wird die ultrakurze MRT daher zurzeit nicht genutzt.

Allerdings ist eine hohe räumliche Auflösung womöglich für das Screening-Setting gar nicht nötig: Studien zeigen, dass die Sensitivität der ultrakurzen Protokolle mit denen der konventionellen und der kurzen MRT-Protokolle statistisch vergleichbar ist. Ultrakurze Protokolle könnten also für das Screening ausreichen. Mit einer Untersuchungszeit von unter zwei Minuten könnten sie auch zur Konkurrenz für die CT werden. Das ist allerdings Zukunftsmusik.

  • Sensitivitätsverlust: Statistisch besteht zwar kein signifikanter Sensitivitäts-Unterschied zwischen kurzen Protokollen und dem konventionellen MRT-Protokoll. Einen kleinen, aber messbaren Sensitivitätsverlust zeigen einige Studien aber doch. Er betrifft vor allem langsam anreichernde Läsionen wie niedriggradige in-situ Karzinome oder bestimmte lobuläre Karzinome. „Der geringe Sensitivitätsverlust ließe sich durch die verbessere Verfügbarkeit der Methode und die Detektion aggressiverer Tumoren vermutlich rechtfertigen“, so die AutorInnen. Entscheidend wird auch hier sein, ob die MRT die Gesamtsterblichkeit senkt.
  • Benigne Störfaktoren: Bestimmte benigne Tumoren reichern auch sehr schnell KM an, sie können also zu Verwechslungen mit Karzinomen führen. Dies sind unter anderem papilläre Läsionen, kapilläre Hämangiome, intramammäre Lymphknoten und gelegentlich Fibroadenome. Auch entzündliche Läsionen können sehr schnelles Enhancement zeigen.

Klinische Bedeutung für Frauen mit hohem Risiko

Im Moment empfiehlt die American Cancer Society (ACS) die MRT bei Frauen mit einem hohen lebenslangen Brustkrebsrisiko von 20-25%. 2018 hat sie vorschlagen, die Empfehlung auf Frauen mit mittlerem Risiko (15-20%) auszudehnen. Die langfristige Compliance in diesen Risikogruppen ist allerdings schlecht. Eine niedrigschwellige, kürzere MRT-Untersuchung könnte gerade für diese Risikogruppe den Zugang erleichtern und die Compliance verbessern.

Klinische Bedeutung für Frauen mit durchschnittlichem Risiko

Zwar ist die MRT die bisher sensitivste Methode, um Brustkrebs zu erkennen, allerdings ist sie in der momentanen Form nicht kosteneffektiv. Die Mammographie wiederum hat ihre Grenzen in der Brustkrebserkennung bei Frauen mit dichtem Brustgewebe – diese Lücke können die kurzen MRT-Protokolle füllen.

Zurzeit ist die MRT in den USA für Frauen mit bekanntem Brustkrebsrisiko empfohlen. Allerdings fallen mehr als die Hälfte aller Frauen bei Brustkrebsdiagnose in keine der Risikogruppen. Möglicherweise gibt es also eine Gruppe mit unterschätztem Risiko.

Die MRT entdeckt bei Frauen mit durchschnittlichem Risiko signifikant kleinere Karzinome als die Mammographie; sie sind außerdem häufiger nodal-negativ. Zudem ist die Rate der Intervallkarzinome nach MRT-Screening geringer. Weil die Zeit bis zur Entdeckung eines Karzinoms nach Screening-MRT im Durchschnitt drei Jahre beträgt, sind auch längere Screeningintervalle (2-3 Jahre) denkbar.

Neuere Studien (ACRIN EA1141) teigen, dass das kurze MRT-Protokoll Karzinome häufiger detektiert als die digitale Tomosynthese (Comstock 2020).

Aktuelle Kosten-Nutzen-Analysen für die USA ergeben langfristig Kostenersparnisse durch das MRT-Screening, trotz initial höherer Kosten (Mango 2019).

Referenzen

Comstock CE et al.
Comparison of Abbreviated Breast MRI vs Digital Breast Tomosynthesis for Breast Cancer Detection Among Women With Dense Breasts Undergoing Screening.
JAMA 2020. 25;323(8):746-56.

Mango VL et al.
MRI screening for average-risk women: a Monte Carlo simulation cost-benefit analysis.
J Magn Reson Imaging 2019;49(7):e216-e221

kf/ktg
14.01.2021

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