CT: Die kumulative Strahlenbelastung und der stochastische Effekt

Das Wissen um die kumulative Strahlendosis könnte überweisende ÄrztInnen von einer notwendigen CT-Überweisung abhalten. Der Grund: Sie fehlinterpretieren das auf Stochastik beruhende LNT-Modell.
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Datum:07.08.2020 2 Kommentare
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Journal:Eur Radiol. 2020
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Titel:Patient cumulative radiation exposure—the potential for unintended consequences
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Autor:Walsh C et al.
Zur Originalstudie
Hintergrund
In einer Umfrage des IAEA (International Atomic Energy Association) befürworteten zwei Drittel der befragten niedergelassenen ÄrztInnen Zugriff auf die patientInnenbezogene Strahlenbelastung. Die Information würde ihnen die Entscheidung für oder wider eine CT-Untersuchung erleichtern, so die Begründung. Walsh et al., St. James’s Hospital, Dublin, Irland, und KollegInnen bezweifeln, dass kumulative Dosiswerte korrekt interpretiert würden. In ihrem Aufsatz erläutern sie, warum.
Fazit
Mehrere CT-Untersuchungen innerhalb eines Jahres können ohne erhöhtes Risiko verordnet werden, so lange die Einzeldosis gering bleibt. Denn: Nach dem LNT-Modell erhöht die individuelle, kumulative Strahlendosis nicht das Risiko einer DNA-Schädigung. Entscheidend ist immer die Höhe der Einzeldosis. Überweisende MedizinerInnen sollten diesen Zusammenhang kennen, wenn sie eine wiederholte CT-Überweisung erwägen.
Stochastisches LNT-Modell: Die Einzeldosis ist entscheidend
Walsh et al. gehen davon aus, dass viele MedizinerInnen das LNT-(linear no threshold)-Modell nicht korrekt verinnerlicht haben. Das Modell beschreibt eine Risikoabschätzung nach einem stochastischen Prozess: Ob ein Röntgenstrahl die DNA dauerhaft schädigt oder nicht, ist nicht vorhersehbar. Demnach kann jede einzelne, noch so kleine Strahlendosis theoretisch krankheitsauslösend sein. Mit höherer Strahlenbelastung steigt die Wahrscheinlichkeit eines irreparablen DNA-Schadens. Ein Schwellenwert ionisierender Strahlung, der mit Sicherheit schädlich ist, existiert jedoch nicht.
Eine Fehlinterpretation des LNT-Modells liegt vor, wenn die kumulative Strahlendosis, also die aus Einzeldosen über einen bestimmten Zeitraum addierte Dosis, gleichgesetzt wird mit einer höheren Wahrscheinlichkeit einer DNA-Schädigung. Die kumulative Strahlenbelastung erhöht die Wahrscheinlichkeit einer DNA-Schädigung nicht – lediglich jede Einzeldosis zählt.
Deterministische Strahlenschäden: Die kumulative Dosis ist entscheidend
Stochastische Strahlenschäden unterliegen der Wahrscheinlichkeitsrechnung und treten zufällig auf. Bei deterministischen Strahlenschäden ist dies anders: Ein Absterben der Zellen ist aufgrund einer sehr hohen Strahlenbelastung vorhersehbar. Bei wiederholter Bestrahlung von Gewebe sollte daher die kumulative Dosis beachtet werden, denn sie ist ausschlaggebend für sichtbare Hautschäden.
In der diagnostischen Bildgebung ist die kumulative Strahlendosis jedoch vergleichsweise gering; ein Gewebeschaden tritt üblicherweise erst bei über 2 Gy auf.
Referenz
Rehani MM, Berris TInternational Atomic Energy Agency study with referring physicians on patient radiation exposure and its tracking: a prospective survey using a web-based questionnaire.
BMJ Open. 2012 Sep 20;2(5):e001425
biho/ktg
07.08.2020