RöKo 2017 – Strahlenschutzgesetz: Was steckt dahinter?

RöKo 2017 – Strahlenschutzgesetz: Was steckt dahinter?

Deutschlands Strahlenschutzgesetz wurde verabschiedet. Radiologen werden sich auf Änderungen einstellen müssen. Noch bleibt aber unklar, wie heiß die einzelnen Kartoffeln gegessen werden müssen.

  • Präsentationstag:
    26.05.2017 3 Kommentare
  • Autor:
    if/ktg
  • Sprecher:
    B. Keller, H. Lenzen, J. Westhof, A. Bock, J. Griebel, D. Vorwerk, D. Wujciak
  • Quelle:
    Deutscher Röntgenkongress 2017

Es ist soweit: Das Strahlenschutzgesetz wurde am 12. Mai 2017 beschlossen. In 218 Paragraphen regelt es für Deutschland, was die Richtlinien der EURATOM von allen EU-Ländern verlangen. „Die schöne, smarte Röntgenverordnung, die wir schon auswendig konnten, gehört nun der Vergangenheit an“, bemerkte Horst Lenzen vom Universitätsklinikum Münster. Er moderierte das diesjährige 22. Forum der Röntgenverordnung (RöV) gemeinsam mit Jürgen Westhof, Regierungspräsidium Kassel. Ab kommendem Jahr wird die Diskussionsrunde unter neuem Namen (voraussichtlich ‚Forum Strahlenschutzgesetz’) auf dem Deutschen Röntgenkongress zusammenfinden.

Das Strahlenschutzgesetz tritt am 31.12.2018 in Kraft, gemeinsam mit den Strahlenschutzverordnungen, die ab jetzt im Detail erarbeitet werden müssen. Birgit Keller vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) hat am Gesetzesentwurf mitgearbeitet und die für die Radiologie wesentlichen Neuerungen vorgestellt:

Individuelle Früherkennung wird möglich

Das neue Gesetz räumt jetzt die Möglichkeit ein, individuelle Früherkennungsuntersuchungen durchzuführen, sofern diese in der Verordnung erfasst sind. Bisher war nur die Mammographie genehmigt und auch nur im Rahmen eines Früherkennungsprogramms. In Zukunft könnten auch individuelle Untersuchungen außerhalb dieses Programms durchgeführt werden. Detlef Wujciak, Berufsverband der Deutschen Radiologen, begrüßte diesen Schritt, der die Mammographie auch für Frauen außerhalb des Screeningprogramms legal macht: „Wieso sollte eine Siebzigjährige plötzlich keine Angst vor Brustkrebs haben, wo sie doch vor einem halben Jahr noch vom Programm eingeladen wurde.“

Die Öffnung für eine individuelle Früherkennung gilt aber nicht nur für Brustkrebs, sondern könnte auch andere nicht-übertragbare Krankheiten betreffen. Voraussetzung ist, dass die neuartige Früherkennungsuntersuchung

  • ein wissenschaftlich anerkanntes Verfahren darstellt,
  • zur Detektierung einer schweren Erkrankung im Frühstadium dient und
  • eine effektive Therapieform verfügbar ist.

Mit dem neuen Gesetz könnten in Zukunft Untersuchungen einen legalen Rahmen erhalten, die derzeit im rechtlichen Graubereich in großer Zahl durchgeführt werden, wie das Lungenscreening oder die virtuelle Koloskopie. Sie könnten dann auch einer verbesserten Qualitätskontrolle unterstellt werden. Ob und wann Untersuchungen zur individuellen Früherkennung zugelassen werden, hängt von der Bewertung des Bundesamts für Strahlenschutz und der Entscheidung des BMUB ab.

Etablieren einer Früherkennungsmethode

Ist eine Früherkennungsuntersuchung in den Verordnungen verankert, können Kliniken und Radiologie-Einrichtungen eine stets auf fünf Jahre befristete Genehmigung bei der Strahlenschutzbehörde erwirken. Diese wird eingeräumt, wenn die nötigen Voraussetzungen an Personal, Gerätetechnik etc. erfüllt werden. Dierk Vorwerk von der Deutschen Röntgengesellschaft begrüßte diesen Schritt: “Man schafft damit den Rahmen, dass Patienten auch auf gewisse Qualität vertrauen können.“

Kritisiert wurde aus den Reihen der Zuhörer, dass die Genehmigung jeweils nur für fünf Jahre erteilt werde, denn das würde Radiologen abschrecken, die großen Investitionen zur Etablierung einer Früherkennungsuntersuchung zu leisten. Andrea Bock vom BMUG versuchte die Vorbehalte zu zerstreuen: „Ziel ist nicht, nach fünf Jahren die Genehmigung zu entziehen.“ Das Gesetz solle allerdings sicherstellen, dass die Untersuchungsmethoden regelmäßig nach neuen Erkenntnissen optimiert werden.

Teleradiologie – Gesetz zielt auf Regionalität ab

Auch die Teleradiologie wird durch das neue Strahlenschutzgesetz größere Veränderungen erfahren, was nicht unbedingt auf allgemeine Zustimmung stoßen könnte. Der Gesetzgeber fordert nämlich, dass der Teleradiologe nun regelmäßig und eng in den klinischen Betrieb eingebunden wird. Ziel ist, das sogenannte Regionalprinzip zu stärken: der Teleradiologe soll möglichst aus der Gegend oder demselben Bundesland stammen und nicht viele hundert Kilometer entfernt vor seinem Bildschirm sitzen. „Ist dies das Aus der großen Teleradiologie-Anbieter?“ wollte Forums-Moderator Westhof wissen. Aus dem Publikum meldeten sich zudem zwei Betreiber kleiner Radiologie-Einrichtungen zu Wort, die aufgrund des ländlichen Standortes auf Teleradiologen angewiesen seien und mit großen Anbietern weit entfernt vom eigenen Standort zusammenarbeiteten. Sie befürchteten, dass sie ihre Praxis aufgrund des neuen Gesetzes schließen oder zumindest stark umstrukturieren müssten.

Bock vom BMUB beschwichtigte, dass sich auch hier Regelungen finden würden. Dennoch sei es wichtig mit dem Gesetz gezielt die Regionalität zu stärken. Auch Wujciak vom Berufsverband der Deutschen Radiologen begrüßte diesen Schritt des Gesetzgebers: „Ein Teleradiologe sollte Kontakt zur Einrichtung haben, damit er die Umstände und Geräte kennt. Wir sind außerdem nicht dafür, dass die Teleradiologie die Voraussetzungen für internationale Anbieter schafft.“

Meldepflicht für bedeutende Vorkommnisse

Einen flauen Magen bereitet den Radiologen derzeit auch der Gesetzestext rund um die Meldepflicht von sogenannten bedeutenden Vorkommnissen. Zwar besteht diese Meldepflicht schon länger, mit Inkrafttreten des Gesetzes müssten allerdings alle „tatsächlich und potenziell unbeabsichtigten und unfallbedingten Expositionen“ in Zusammenhang mit der Anwendung am Menschen an ein „Informations- und Meldesystem“ weiter geleitet werden. „Das Problem: Der Arzt muss sich dann selber anzeigen und sagen ‚Ich hab da einen Fehler gemacht’“, stellte Westhof fest und zweifelte, dass dies in der Praxis durchführbar sei. Auch Wujciak hatte Bedenken, insbesondere wegen der rechtlichen Konsequenzen für Radiologen, obwohl er die Idee des Fehlermanagements grundsätzlich begrüße. Der Vorwurf der Körperverletzung werde allerdings heutzutage sehr schnell ausgesprochen. „Hinter jedem Patienten stehen zwei Anwälte, wenn etwas zu holen ist“, ergänzte Wujciak. Andrea Bock vom BMUG betonte, es sei daher wichtig, vernünftige Meldeschwellen festzulegen. Zudem sei die Meldung nicht mit einer zivilrechtlichen Abwicklung verbunden.

Medizinphysik-Experte – jetzt Pflicht

Im Strahlenschutzgesetz wird nun auch beschrieben, dass ein Medizinphysik-Experte (MPE) bei dosisintensiven Verfahren hinzugezogen werden muss – was ohnehin schon in vielen Kliniken Usus ist. Dies bedeute nicht, dass der MPE bei jeder Untersuchung anwesend sein muss, sondern nur, dass eine Qualitätssicherung durch ihn erfolgt. Festzulegen sei laut Keller, was genau ein dosisintensives Verfahren ist. Der zusätzliche Personalmehraufwand sei verhältnismäßig gering: 0,06 MPEs pro CT-Einheit und 0,08 MPEs pro interventioneller Einheit.

Vorhandene Kommentare

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WAS sind 0,06 MPE s pro CT Einheit ??????

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