RöKo 2023 – Personalisierte Medizin geht nur mit Künstlicher Intelligenz

RöKo 2023 – Personalisierte Medizin geht nur mit Künstlicher Intelligenz
Prof. Konstantin Nikolaou, Prof. Bettina Baeßler, Prof. Jörg Barkhausen, Prof. Jörg Debatin, Prof. Christiane Kuhl, Prof. Michael Forsting (©DRG/Thomas Rafalzyk)

Vor einigen Jahren wurde Radiolog:innen noch der Untergang ihrer Spezies prophezeit. Mittlerweile ist klar: Radiolog:innen werden die Radiologie zusammen mit Künstlicher Intelligenz verändern. Die Radiologie ist damit anderen Disziplinen vorausgeeilt.

  • Präsentationstag:
    17.05.2023 0 Kommentare
  • Autor:
    biho/ktg
  • Sprecher:
    Jörg Barkhausen (Lübeck) / Michael Forsting (Essen) / Christiane Kuhl (Aachen) / Konstantin Nikolaou (Tübingen) / Bettina Baeßler (Würzburg) / Jörg Debatin (Mülheim)
  • Quelle:
    RöKo 2023

Mehr personalisierte Medizin, mehr Patient:innen, mehr Daten, aber weniger Radiolog:innen und weniger MTR: Die Radiologie braucht Künstliche Intelligenz (KI), um den Workflow und die Bildauswertung für eine individuelle Therapieentscheidung bewältigen zu können. Der Weg dorthin führt über die Digitalisierung von Daten, die wiederum durch die Schaffung großer Datenpools vorangetrieben werden sollte.

Datengetriebene Algorithmen

Die Radiologie hat Daten in Hülle und Fülle zur Verfügung. Das rückte sie als erste medizinische Disziplin in den Fokus für KI. Wenn heute von KI gesprochen wird, geht es um datengetriebene Algorithmen des Deep Learning.

„Früher haben Entwickler Hypothesen programmiert“, sagte Michael Forsting, Universitätsklinikum Essen. Beispiel: Um einer Maschine beizubringen, wie ein bestimmter Buchstabe aussieht, musste dieser genau beschrieben werden. Deep Learning dagegen arbeitet hingegen datengetrieben: Der Algorithmus wird mit einer Vielzahl unterschiedlicher Muster des Buchstaben gefüttert und lernt daran, diesen zuverlässig zu erkennen.

„Klotzen statt kleckern“

„Die KI braucht eine Masse an Daten, um sich zu entwickeln“, sagte Forsting. „Dafür sind große Strukturen notwendig.“ Er und Jörg Debatin, Radiologe, früherer Leiter des Health Innovation Hubs und Unternehmer, wünschten sich gerade in Deutschland mehr Initiative für die Bildung solcher Strukturen.

Das 2019 gegründete Institut für Künstliche Intelligenz in der Medizin (IKIM) mit 150 Mitarbeitenden macht vor, wie es künftig laufen könnte: Die von der Universitätsmedizin Essen und der Universität Duisburg-Essen gemeinsam entwickelte Smart Hospital Information Platform (SHIP) ermöglicht die Digitalisierung und Strukturierung einheitlicher Patientenakten und eine einfache, systematische und zentrale Patientendokumentation. Aus dem Annotation Lab Essen stehen dem IKIM stehen mittlerweile diverse Datensets zur Unterstützung von Diagnose und Therapie mit KI zur Verfügung. Als Beispiel nannte Forsting die Knochenalterbefundung. „Solche langweiligen Aufgaben kann uns die KI jetzt abnehmen“, sagte er.

„Chancen nutzen, Grenzen erkennen“

Die primären Aufgaben der KI sieht Forsting zunächst in der Quantifizierung und Volumetrie. „Prädiktion und Therapievorhersage werden kommen, aber dafür brauchen wir erst die Zusammenarbeit im großen Stil.“ Konstantin Nikolaou vom Universitätsklinikum Tübingen erhofft sich vom KI-Einsatz vor allem Effizienzsteigerung. Jörg Barkhausen, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, möchte Prozesse im Krankenhaus optimieren, etwa bei Terminplanung, Transportdienst, und schnellerem Zugriff auf alle Daten. Christiane Kuhl, RWTH Aachen, setzt auf Risikostratifizierung, beispielsweise bei der Früherkennung von Brustkrebs.

„Wir sollten nicht zu visionär werden“, warnte Forsting trotz aller Erwartungen. „Die Entwicklung zur KI ein dynamischer Prozess. Ganz wichtiges Thema ist immer: Wie wird der Groundtruth gewonnen?“

Debatin verwies auf ein weiteres Hindernis für die Verwirklichung der KI-Visionen: Projekte scheiterten nicht an der Technologie, sondern an der Akzeptanz. „Wenn intellektuelle Fähigkeiten in Frage gestellt werden, kommt Ablehnung“, sagte er. Darum sollte die Einführung von KI ein langsamer, kontinuierlicher Prozess sein. Immer wieder müsse man sich außerdem die Frage stellen: Wo ist KI therapierelevant?

 „Wissen geht verloren, Wissen wird gewonnen“

Angst vor Veränderungen hat es auch in der Medizin immer gegeben, nicht erst, seit KI ins Spiel gekommen ist. „Das Wissen, mit dem Stethoskop eine Mitralklappeninsuffizienz zu diagnostizieren, ist mit dem Einzug des Ultraschalls verloren gegangen – zum Glück“, sagte Forsting. „Mit der Einführung von KI geht Wissen verloren, aber neues Wissen wird auch gewonnen.“

„Die Radiologie wird sich verändern“, bestätigte Debatin, „aber die anderen Disziplinen noch viel mehr. Pathologen sehen sich auch Bilder an, aber sie tun sich mit dem Wandel viel schwerer. Wir als Radiologen wollen weiterhin vorne dranbleiben und diese Veränderung selbst mitgestalten.“

Bettina Baeßler vom Universitätsklinikum Würzburg stellt beim radiologischen Nachwuchs eine Offenheit gegenüber KI fest (Pinto DosSantos 2019). Sie empfahl, den Blick auch darauf zu lenken, was KI psychisch mit den radiologischen Berufsgruppen macht (Dratsch.

„Jeder Beruf wird sich grundlegend verändern“, ergänzte Konstantin Nikolaou vom Universitätsklinikum Tübingen. „Falls Sie Marvel-Comics lesen: Ich bin lieber Iron Man als Ultron. Der handelt selbst, unterstützt von cooler Technik. Wenn er seinen Anzug auszieht, ist er ein ganz normaler Mensch; Ultron hingegen kann das nicht.“

Referenzen

Pinto Dos Santos D et al. Medical students' attitude towards artificial intelligence: a multicentre survey. Eur Radiol. 2019;29(4):1640-1646

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