ECR 2023 – Schlaganfall: Optimierung der Protokolle

ECR 2023 – Schlaganfall: Optimierung der Protokolle

Die Bildgebung des Schlaganfalls muss sich in klinischen Diagnostik- und Behandlungspfaden anpassen. In den letzten 20 Jahren hat sich die Therapie des Schlaganfalls verändert und Radiolog:innen müssen auf diese Veränderungen reagieren.

  • Präsentationstag:
    04.03.2023 0 Kommentare
  • Autor:
    kf/ktg
  • Sprecher:
    Paul M. Parizel, Perth/WA, Australien
  • Quelle:
    ECR 2023

- Die Bildgebung ist nahtlos und schnell in das Patientenmanagement zu integrieren.

- Native CT und CT-Angiographie sind derzeit Eckpfeiler für das Schlaganfall-Management.

- Für die Detektion des Infarktkerns in frühen Stadien des Schlaganfalls ist die MRT der CT deutlich überlegen. Neue, mobile Ultra-Niedrigfeld-Scanner könnten die MRT direkt ans Krankenbett bringen und so den Einsatz der MRT in der Schlaganfallfrüherkennung etablieren.

 

Die 8 Ds

Kliniker unterscheiden 8 Schritte in der Behandlungskette des akuten Schlaganfalls – die sogenannten 8 Ds. "Wenn wir Schlaganfall-Protokolle optimieren wollen, müssen wir uns fragen, wo die Radiologie in diesem Algorithmus ihren Platz findet", sagte der ehemalige ECR-Präsident Paul Parizel, Perth, Australien. Drei der 8 Ds sind eng mit der Radiologie verknüpft.

Radiologie als Teil der 8 Ds

#

D

Bedeutung

Einfluss der Radiologie

D1

DETECTION

Schnelle Erkennung der Schlaganfall-Symptome

Keiner

D2

DISPATCH

Frühzeitige Aktivierung des Rettungsdienstes

Keiner

D3

DELIVERY

Schnelle Identifizierung des Notfallmedizinischen Dienstes, Management und Transport

Keiner

D4

DOOR

Transport zum Schlaganfallzentrum innerhalb von drei Stunden nach Erstauftreten der Symptome

Keiner

D5

DATA

Schnelle Triage, Evaluation und Management in der Notaufnahme

Native CT, CTA

D6

DECISION

Schlaganfall-Expertise und Therapiewahl

CT-Perfusion, MRT (DWI, MRP,…)

D7

DRUG

Fibrinolyse, intra-arterielle Therapiestrategien

Interventionelle Radiologie

D8

DISPOSITION

Schnelle Aufnahme in die Stroke Unit oder auf die Intensivstation

Keiner

Die 8 Ds der Schlaganfallversorgung bündeln die wichtigsten Schritte der Diagnostik und Therapie eines Schlaganfalls. Die Radiologie ist hauptsächlich bei folgenden Schritten beteiligt: D5 (Daten), das heißt bei der schnellen Triage, Evaluation und dem Management in der Notaufnahme, D6 (Entscheidung), also bei der genauen Diagnose und Therapieauswahl und D7 (Medikamente), also bei der Auswahl der Therapiestrategie.

Native CT in der Notaufnahme

Die native CT ist für neurologische Notfälle aufgrund ihrer Schnelligkeit, der genauen Darstellung akuter intrakranieller Vorgänge und der Verfügbarkeit das Verfahren der ersten Wahl. Die native CT muss bei Patient:innen mit Anzeichen eines akuten Schlaganfalls innerhalb von 25 Minuten durchgeführt werden, um intrakranielle Blutungen auszuschließen und große Infarkte zu erkennen. Als groß gelten Infarkte, wenn ihr Volumen mehr als 100 ml beträgt oder sie mehr als ein Drittel eines Hirnareals betreffen.

Um einen akuten Infarkt in der nativen CT zu erkennen, sollte eine schmale Fensterung verwendet werden, um die Erkennung subtiler Schlaganfallanzeichen zu verbessern. Die Auswertung axialer, koronarer und sagittaler Schnitte wird empfohlen.

Zu den wichtigen Befunden zählen:

  • Fokales Verstreichen der Sulci – dieses Zeichen kann sehr subtil sein.
  • Hyperdenses Gefäßzeichen – dies bezieht sich auf eine fokal erhöhte Dichte im Gefäß, die auf das Vorhandensein thrombembolischen Materials im Lumen schließen lässt. Es gibt Hinweise auf die Notwendigkeit eines Eingriffs.
  • Verlust der Differenzierung in der grauen Substanz.

Der ASPECT-Score kann die Sensitivität und Spezifität verbessern, insbesondere bei weniger erfahrenen Befunder:innen. Zudem sind Differentialdiagnosen auszuschließen, also beispielsweise intrakranielle Massenläsionen, Infektionen oder Blutungen.

Allerdings ist die Rolle der nativen CT – trotz verbesserter Technik – bei der Vorhersage und Erkennung von Infarkten im Frühstadium begrenzt.

CT Angiographie (CTA)

Die CTA ist unerlässlich für die Erkennung großer Gefäßverschlüsse (LVO) und für die Auswahl der Patient:innen zur endovaskulären Therapie. Der Fokus liegt hier in erster Linie auf der A. carotis interna und der proximalen A. cerebri media. Für die Erkennung von Verschlüssen in kleinen und peripheren Gefäßen ist die CTA der MR-Angiographie überlegen.

Für die CTA hatte Parizel acht Tipps parat:

  1. Die intravenöse Gabe von gewebespezifischem Plasminogenaktivator (tPA) ist prioritär. "Zuerst müssen wir den Patienten behandeln – verzögern Sie die Behandlung niemals wegen der CTA", betonte Parizel.
  2. Man sollte einen 18-20 Gauge Zugang legen, vorzugsweise am rechten Arm, um Streifenartefakte zu vermeiden.
  3. Nicht auf Nierenfunktionstests warten. "Der Schlaganfall ist wichtiger als die Nierenfunktion", so Parizel.
  4. Das Timing der Kontrastmittel-Injektion sollte durch Testbolus oder halbautomatische Triggerung erfolgen.
  5. Die Schichtdicke sollte weniger als 1,5 mm betragen und mit maximal 50% Overlap rekonstruiert werden.
  6. Der gesamte Arterienbaum ist abzudecken – bis zum Vertex.
  7. Die multiphasische CTA stellt den Peak und die späten venösen Phasen dar.
  8. Die 4D-CTA wird zur Beurteilung der Kollateralen verwendet.

Die MRA-Angiographie sei aber eine wertvolle Alternative, betonte Parizel.

Perfusionsbildgebung (CTP/MRP) für die Penumbra

Hinter der Perfusionsbildgebung steckt die Idee, den Infarktkern vom potenziell lebensfähigen Hirngewebe – der Penumbra – zu unterscheiden. Die Penumbra (und damit das Gebiet der reversiblen Ischämie) zeigt einen reduzierten zerebralen Blutfluss (CBF) bei erhaltenem zerebralen Blutvolumen (CBV). Im Infarktkern sind hingegen beide Parameter reduziert. Die Perfusionsbildgebung kann gefährdetes Hirngewebe identifizieren und gibt gleichzeitig Auskunft über die Zirkulation in den Kollateralen, was als wichtiger Prädiktor für den Outcome gilt.

MRT in wenigen Minuten machbar

Die diffusionsgewichtete MRT (DWI) ist besonders in den frühen Stadien eines zerebralen Infarkts wichtig: Bei der Detektion des Infarktkerns ist sie der CT in diesen frühen Stadien weit überlegen. Die DWI hat sich vor mehr als 20 Jahren als das optimale Bildgebungsverfahren für die Diagnose des akuten ischämischen Schlaganfalls herauskristallisiert. Sie ist zudem kosteneffizient (Puhr-Westerheide 2022). Grundsätzlich ist für die MRT eine Untersuchungszeit von sechs Minuten machbar (Nael 2014).

“Durchgesetzt hat sich die MRT bisher allerdings nie", so Parizel. Mit neuen MRT-Geräten, die sich direkt ans Krankenbett fahren lassen, könnte sich dies allerdings ändern. Mobile Ultra-Niedrigfeld-Scanner sind bereits von der FDA zugelassen. Sie sind direkt am “Point-of-Care” einsetzbar, etwa auf Intensivstationen, in Notaufnahmen, in mobilen Stroke Units oder in einer Medizin mit begrenzten Ressourcen. Ihre Feldstärke von 0,064T führt zu einer Bildqualität, die Parizel als "nicht gut" bezeichnet. Er ist jedoch davon überzeugt, dass sich diese Scanner weiterentwickeln werden und gerade für die Schlaganfall-Früherkennung wertvoll werden könnten.

Wesentliche Überlegungen

Abschließend fasste Parizel seine drei wichtigsten Überlegungen zur Bildgebung beim Schlaganfall zusammen:

  • Protokoll-Optimierung bedeutet, die für das Management der Patient:innen wichtigen Informationen rechtzeitig bereitzustellen. Örtliche Geräte und Gegebenheiten sind zu berücksichtigen. "Jedes Krankenhaus ist anders, und darauf sollte man sich einstellen", sagte Parizel.
  • Die native CT und die CTA sind die Eckpfeiler der Schlaganfallbehandlung.
  • Die MRT kann das Schlaganfallmanagement verändern, wenn Scanner leichter verfügbar werden oder wenn die MRT-Bildgebung zu Patient/Patientin kommt, statt wie bisher umgekehrt.

 

Referenzen

Nael K et al. Six-minute magnetic resonance imaging protocol for evaluation of acute ischemic stroke: pushing the boundaries. Stroke 2014;45(7):1985-91.

Puhr-Westerheide D et al. Cost-effectiveness of short-protocol emergency brain MRI after negative non-contrast CT for minor stroke detection. Eur Radiol 2022;32(2):1117-26

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