Brustkrebs-Screening in Zeiten von CoViD-19

Brustkrebs-Screening in Zeiten von CoViD-19

In den meisten EU-Ländern läuft das Brustkrebs-Screening nach CoViD-19-bedingter Unterbrechung wieder an. Potenzielle Auswirkungen des Aussetzens diskutierte Sophia Zackrisson, Radiologin an der Uniklinik Malmö, im ESR-Livestream am 10. Juni 2020.

  • Präsentationstag:
    10.06.2020 2 Kommentare
  • Autor:
    mh/ktg
  • Sprecher:
    Sophia Zackrisson, Malmö
  • Quelle:
    ESR Connect 2020

In vielen europäischen Ländern wird ein zweijährliches Brustkrebs-Screening für Frauen mit durchschnittlichem Brustkrebs-Risiko vom 50. bis zum 69. Lebensjahr angeboten. Grundlage unter anderem: Die Empfehlung der Europäischen Kommission (ECIBC: European Commission’s Initiative on Breast Cancer).

Die Evidenz für den Nutzen eines solchen Screenings sei moderat, sagte Sophia Zackrisson von der Uniklinik Malmö, Schweden, man geht davon aus, dass es die Brustkrebs-Mortalität um etwa 20 Prozent senken könne.

Bildgebungsmodalitäten für das Screening

  • Digitale Mammographie (DM): Empfohlene Methode
  • Digitale Brust-Tomosynthese (DBT oder „3D-Mammographie“): Reduziert gegenüber DM die Gewebeüberlappung. Vergleichsstudien von DM und DBT zeigen für die DBT eine um 30 Prozent höhere Tumordetektionsrate. Wie relevant diese zusätzlich entdeckten Karzinome sind, sei noch nicht geklärt, so Zackrisson.
  • Ultraschall und Mamma-MRT: Beide Modalitäten sind zeitintensiver als DM und DBT, haben aber Vorteile vor allem für die Untersuchung dichten Brustgewebes. „Die MRT ist von allen Verfahren das sensitivste für die Brustkrebs-Detektion“, so Zackrisson.

Ausblick auf ein Screening im Jahr 2030

Zackrisson erwartet, dass man beim Brustkrebs-Screening in zehn Jahren eine Risiko-Stratifizierung vornehmen wird, etwa anhand von familiärer Vorbelastung, Brustdichte oder genetischen Faktoren. Je nach individuellem Risiko könnten dann unterschiedliche Bildgebungsmodalitäten zum Einsatz kommen, beispielsweise so:

  • Geringes Risiko >> Digitale Mammographie
  • Mittleres Risiko >> Digitale Brust-Tomosynthese
  • Hohes Risiko >> Digitale Brust-Tomosynthese + Ultraschall oder MRT
  • Sehr hohes Risiko >> Digitale Brust-Tomosynthese + MRT

Besonders für die Risiko-Stratifizierung sieht Zackrisson großes Potenzial in der Künstlichen Intelligenz: KI-basierte Anwendungen könnten Untersuchungen ohne auffälligen Befund identifizieren, die Sensitivität und Spezifität der Bildgebungsverfahren erhöhen und als Entscheidungshilfe für das therapeutische Vorgehen dienen. Insgesamt könnten sie in der Radiologie zu einer Verringerung der Arbeitsbelastung beitragen.

Screening in Zeiten der CoViD-19-Pandemie

Zum Umgang mit Brustkrebsdiagnostik und -therapie während der Pandemie hat das ECIBC eine ‚Information Corner’ eingerichtet. Eine Verschiebung des Screenings um wenige Monate hält Zackrisson für Frauen mit durchschnittlichem Risiko für vertretbar. Detaillierte Empfehlungen geben Curigliano et al. (The Breast 2020).

In den meisten europäischen Ländern ist das Brustkrebs-Screening aufgrund der CoViD-19-Pandemie zunächst ausgesetzt worden. Symptomatische Frauen wurden aber in den meisten Regionen auch weiterhin untersucht. Aus einer eigenen, nicht wissenschaftlichen Umfrage unter KollegInnen gewann Zackrisson diesen Überblick:

  • Ein 1,5- bis 3-monatiges Aussetzen des Screenings praktizierten Deutschland, Österreich, Niederlande, Frankreich, Italien, Norwegen, UK und Ungarn.
  • Ein teilweises Aussetzen gibt es in Schweden. Dort sind 40% der Screening-Einheiten geöffnet, 40% geschlossen, 20% arbeiten mit reduzierter Kapazität.
  • Ohne Unterbrechung weitergemacht haben die Screeningzentren in Dänemark.
  • In New York City gab es eine Unterbrechung von 2-3 Monaten, in Australien von 2-4 Wochen.

Inzwischen haben die meisten Länder das Screening wieder aufgenommen. Die bekannten Hygienemaßnahmen werden dabei eingehalten. Die verfügbaren Kapazitäten sind daher gegenüber vorpandemischen Zeiten geringer. In Schweden, wo Frauen sonst bis zum Alter von 74 Jahren zum Screening eingeladen, beschränkt man sich derzeit auf die Altersgruppe bis 70.

Mögliche Konsequenzen der Verzögerungen beim Screening

Zackrisson sieht das Risiko, dass augenblicklich weniger Frauen als sonst bereit sind, am Screening teilzunehmen. Möglich sei auch, dass die Verzögerung zu durchschnittlich etwas größeren Tumoren zum Zeitpunkt der Diagnostik führe. Dies müsse sich aber nicht zwingend auf den Outcome auswirken.

Allerdings sind die Wachstumsraten unterschiedlicher Tumoren sehr heterogen. „Die nicht symptomatischen, aber detektierbaren Tumoren sind diejenigen, die wir mit dem Screening entdecken wollen“, sagte Zackrisson. Der Zeitraum, in dem das auf Brusttumoren zutrifft, sei bei jüngeren Frauen im Durchschnitt kürzer als bei älteren (Taghipour et al. 2013). Insofern kann eine Maßnahme wie die schwedische Änderung der Altersbeschränkung vertretbar sein.

Die meisten der im Screening entdeckten Tumoren sind Stage-1-Tumoren mit einer Größe von nicht mehr als 15 mm und ohne Ausbreitung in die Lymphknoten. Die Fünf-Jahres-Überlebensrate von Frauen mit Tumoren Stage 1 und 2 ist sehr hoch. Dass sich die CoViD-19-bedingten Verzögerungen im Screening substantiell auf die Population auswirken werden, erwartet Zackrisson eher nicht. Im Einzelfall könne eine verzögerte Diagnose aber negative Auswirkungen haben.

Vorerst gelte es, die zum Screening eingeladenen Frauen wieder zur Teilnahme zu motivieren und weitere Verzögerungen bei symptomatischen Frauen zu vermeiden.

EUSOBI (European Society for Breast Imaging) hat angekündigt, in Kürze ihre Empfehlungen für die Mamma-Bildgebung und Tumordiagnostik während der CoViD-19-Pandemie zu veröffentlichen.

Referenzen

Curigliano et al. (International Panel – Editorial Board of The Breast)
Recommendations for triage, prioritization and treatment of breast cancer patients during the COVID-19 pandemic
The Breast 2020;52:8-16

ECIBC Information Corner on COVID-19 and Breast Cancer
https://healthcare-quality.jrc.ec.europa.eu/covid-19-information-corner

Taghipour S et al.
Parameter estimates for invasive breast cancer progression in the Canadian National Breast Screening Study
Br J Cancer 2013;108:542–548

 

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