CoViD-19 und Auswirkungen auf die Onkologie

CoViD-19 und Auswirkungen auf die Onkologie

Weniger stationäre Aufnahmen und weniger neue Krebsdiagnosen seit Ausbruch der Pandemie – wie wirkt sich das auf die onkologische Versorgung aus? Eine Einschätzung aus Amsterdam beim ESR-Connect vom 17. Juni 2020.

  • Präsentationstag:
    17.06.2020 0 Kommentare
  • Autor:
    mh/ktg
  • Sprecher:
    CoViD-19 und Auswirkungen auf die Onkologie
  • Quelle:
    ESR Connect

Erhöhtes CoViD-19-Risiko für Krebspatienten?

Ob die CoViD-19-bedingte Mortalität von PatientInnen unter onkologischer Therapie erhöht ist, diskutierte Gabe Sonke, Onkologe am Netherlands Cancer Institute in Amsterdam, anhand der beiden derzeit größten multizentrischen Studien zum Thema.

Beide Studien berücksichtigen allerdings nur stationäre PatientInnen und eine sehr beschränkte Follow-Up-Dauer:

UK Coronavirus Cancer Monitoring Project (UKCCMP)

  • 800 PatientInnen mit aktiver Krebserkrankung, stationäre Aufnahme aufgrund CoViD-19-Diagnose (positiver PCR-Test)
  • 26% verstarben während des Klinikaufenthalts
  • Höheres Alter, männliches Geschlecht und Komorbiditäten waren mit einem schlechteren Outcome assoziiert
  • Keine erhöhte Mortalität durch onkologische Therapien – egal ob Chemotherapie, Immuntherapie oder Bestrahlung –im vierwöchigen Beobachtungszeitraum

US COVID-19 and Cancer Consortium (CCC19)

  • 928 PatientInnen mit aktiver oder früherer Krebserkrankung , stationäre Aufnahme aufgrund CoViD-19-Diagnose
  • 121 (13%) starben innerhalb des 30-tägigen Beobachtungszeitraums
  • Alter, männliches Geschlecht, Komorbiditäten und Rauchen waren mit einem schlechteren Outcome assoziiert
  • Keine Assoziation zwischen onkologischer Behandlung und erhöhter Mortalität

„Also gibt es für Krebspatienten ein erhöhtes CoViD-19-Risiko? Wahrscheinlich eher nicht“, so Sonkes Einschätzung anhand der bisher vorliegenden Daten.

Und haben KrebspatientInnen ein erhöhtes Risiko, sich mit SARS-CoV-2 zu infizieren? „Das wissen wir noch nicht“, so Sonke. Bisher seien die Fallzahlen niedrig, was auch an einer konsequenten Selbstisolation der KrebspatientInnen liegen könne.

Offen sei auch die Frage, ob sich bestimmte onkologische Therapeutika günstig auf die Schwere des Verlaufs von CoViD-19 auswirken könnten. Nachdem Arzneimittel, die das Immunsystem dämpfen, offenbar solche Effekte haben können, hielt Sonke das zumindest nicht für ausgeschlossen.

„CoViD-19-freie“ Klinik – Austausch mit Nachbarkliniken

Das Netherlands Cancer Institute in Amsterdam wurde zur CoViD-19-freien Klinik erklärt. Es überlies alle PatientInnen mit Verdacht auf SARS-CoV-2-Infektion benachbarten Krankenhäusern. Im Gegenzug übernahm man von auswärtigen Kliniken onkologische PatientInnen, die nicht infiziert waren.

Bewerkstelligt wurde das durch Telefonanrufe bei den PatientInnen am Tag vor der stationären Aufnahme. Falls sie oder Angehörige Symptome hatten, wurde zunächst der Zuweiser konsultiert, ob der Aufenthalt verschiebbar wäre. Falls nicht, erfolgte ein PCR-Test. „So konnten wir die Zahl der Infizierten in der Klinik gering halten“, sagte Sonke. Um die zusätzliche Arbeitslast zu bewältigen, wurde mehr Personal eingestellt: neues Pflegepersonal für die PCR-Testung, studentisches Personal zum Telefonieren.

Auch das Klinikpersonal wird regelmäßig nach Symptomen befragt und getestet. Persönliche Schutzkleidung ist selbstverständlich.

Auswirkungen der Pandemie auf die onkologische Versorgung

  • Deutliche Reduktion der stationären Aufnahmen
  • Fast alle klinischen Studien vorübergehend unterbrochen, inzwischen wieder aufgenommen
  • Keine Reduktion der operativen onkologischen Versorgung und der Bestrahlungstherapie
  • Etwa ein Viertel weniger palliative Therapien (Chemo- oder Immuntherapie)
  • Zwischen 20% (Urogenitaltrakt) und 40% (Hautkrebs) weniger neue Krebsdiagnosen seit Pandemie-Ausbruch

„Die reduzierten Zahlen betreffen alle Krebsarten, also nicht nur die, für die es ein Screening gibt“, so Sonke. Daher dürfte in den kommenden Monaten der Anteil an PatientInnen mit bereits fortgeschrittenen Karzinomen höher liegen. Dafür gelte es Vorsorge zu treffen. „Falls Sie Symptome haben: Gehen Sie unbedingt zum Arzt“, so sein Appell an Alle. Diese Botschaft könne gar nicht oft genug über alle Kanäle verbreitet werden. Relevant sei das nicht nur in der Onkologie, sondern auch für kardiovaskuläre und andere Erkrankungen.

Lerneffekte aus der Pandemie

„Um die Folgen der Pandemie für die onkologische Versorgung einzuschätzen, brauchen wir sehr gute Register“, sagte Sonke. Eventuell ergebe sich aus der noch ausstehenden Analyse die Chance, einige Behandlungsaspekte im Zusammenhang mit Lebensqualität, Progression und Überleben auf den Prüfstand zu stellen:

  • Kann in bestimmten Fällen der Zeitraum zwischen den Follow-Up-Scans ohne Verluste verlängert werden? Vielleicht genügen 12 statt wie bisher 6-8 Wochen.
  • Kommt man – vor allem in der palliativen Versorgung – mit weniger stationärer Chemotherapie aus?

„Was würden Sie bei einer zweiten Infektionswelle anders machen?“

Zu dieser Frage aus dem Chat sagte Sonke, man müsse in einem vergleichbaren Fall das nächste mal stärker auf die Ängste des medizinischen Personals Rücksicht nehmen. „Das haben wir anfangs nicht ausreichend beachtet.“

Sein Ko-Referent im ESR-Streaming, der Züricher Radiologe Andreas Gutzeit, sagte auf dieselbe Frage, er würde „Fernsehen vermeiden und sich auf wissenschaftliche Journals konzentrieren.“ Er wolle keine Medien mehr konsumieren, die die Lage dramatisierten, denn ruhig zu bleiben habe oberste Priorität.

Referenzen

Kuderer N et al.
Clinical Impact of COVID-19 on Patients With Cancer (CCC19): A Cohort Study
The Lancet 2020;395(10241):1907-18

Lee L et al.
COVID-19 mortality in patients with cancer on chemotherapy or other anticancer treatments: a prospective cohort study
The Lancet 2020; 395(10241):1919-26

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