Was Spinnen an der Decke hält

Was Spinnen an der Decke hält
Im Rasterelektronenmikroskop sind an der Spitze des Hafthärchens die winzigen, haftenden Kontaktplättchen der Spinne zu sehen. Sie sind gerade einmal zwanzig Nanometer dick. (©Schaber et al. 2019 J R Soc Interface)

Forschungsteam aus Kiel und Geesthacht entschlüsselt Details der Haftstrukturen von Spinnenbeinen.

  • Datum:
    11.02.2019
  • Autor:
    B. Pawlowski (mh/ktg)
  • Quelle:
    Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Problemlos klettern Jagdspinnen an senkrechten Oberflächen oder bewegen sich über Kopf an der Decke. Den nötigen Halt geben ihnen rund eintausend winzige Hafthärchen am Ende ihrer Beine. Diese borstenartigen Haare, die sogenannten Setae, bestehen, wie der Spinnenpanzer, vor allem aus Proteinen und dem Vielfachzucker Chitin.

Um mehr über ihre Feinstruktur herauszufinden, haben Forscher der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und des Helmholtz-Zentrums Geesthacht (HZG) den molekularen Aufbau dieser Härchen genauer untersucht. Mit hochenergetischem Röntgenlicht fanden sie heraus, dass die Chitin-Moleküle der Setae speziell angeordnet sind, damit sie den Belastungen beim ständigen Anhaften und Loslösen standhalten.

Um die Hafthärchen der Spinnenart Cupiennius salei zu untersuchen, nutzten sie Methoden der ortsaufgelösten Röntgenbeugung an der European Synchrotron Radiation Facility (ESRF) in Grenoble, Frankreich, und am Deutschen Elektronen-Synchrotron (PETRA III bei DESY) in Hamburg. Diese Speicherringe gehören zu den besten und leistungsfähigsten Röntgenstrahlenquellen weltweit.

Je nachdem, wie die Röntgenstrahlung durch das Material gestreut wird, lassen sich nanometergenaue Rückschlüsse auf die Zusammensetzung des Materials ziehen. „Wir fanden heraus, dass die Chitinmoleküle an der Spitze der winzigen Hafthaaren der Spinne speziell angeordnet sind: Die parallel verlaufende Faserstruktur verstärkt die Hafthärchen“, erläuterte Martin Müller vom HZG die Ergebnisse.

Die Streuung des Röntgenstrahls lässt Rückschlüsse auf die Chitinverteilung in den Hafthärchen zu. Die rote Farbe zeigt einen hohen Gehalt bis in die Spitze an.  (©Schaber et al. 2019 J R Soc Interface)
Die Streuung des Röntgenstrahls lässt Rückschlüsse auf die Chitinverteilung in den Hafthärchen zu. Die rote Farbe zeigt einen hohen Gehalt bis in die Spitze an. (©Schaber et al. 2019 J R Soc Interface)

Clemens Schaber, Erstautor der jetzt veröffentlichten Studie, ergänzt: „Außerdem ist bemerkenswert, dass die Chitin-Fasern in anderen Teilen der Spinnenbeine in unterschiedlichen Richtungen verlaufen, ähnlich wie bei Sperrholz. Diese Struktur macht den Schaft des Spinnenbeins in verschiedene Richtungen biegbar.“ Die parallele Ausrichtung der Faser-Moleküle in den Hafthärchen hingegen folgt den Zug- und Druckkräften, die auf sie wirken. So fängt sie die Belastungen auf, die beim Anhaften und Ablösen der Spinnenbeine auftreten.

Neue Technologien der additiven Fertigung wie 3D-Druck auf der Nanoskala könnten eines Tages womöglich zur Entwicklung völlig neuartiger von der Natur inspirierter Materialien beitragen.

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