RöKo 2019 – Radiologie wird 4.0!

RöKo 2019 – Radiologie wird 4.0!

Die Radiologie war schon immer eine stark innovationsgetriebene Fachdisziplin. Doch seit maschinelles Lernen und seine Unterdisziplin, die künstliche Intelligenz, nach vorne preschen, ist die Radiologie mehr denn je dazu angehalten, ihre Prozesse und ihr Selbstverständnis zu überdenken.

  • Präsentationstag:
    30.05.2019 0 Kommentare
  • Autor:
    if/ktg
  • Sprecher:
    Ralf Floca, Deutsches Krebsforschungszentrum Heidelberg
  • Quelle:
    100. Deutscher Röntgenkongress

Radiologie 4.0 gilt als Begriff der Stunde. Ähnlichkeiten mit dem Terminus Industrie 4.0 sind beabsichtigt: analog zur Umstellung der industriellen Produktion auf eine digital gesteuerte, personalisierte Warenproduktion steht jetzt der Umbau der Radiologie zur personalisierten, KI-unterstützen Medizin an. Das meint Ralf Floca vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) Heidelberg. Beim Röntgenkongress wagte er einen Ausblick auf die Radiologie des Jahres 2025.

Eines der Hauptthemen der radiologischen Zukunft sei die optimale Integration diagnostischer und therapeutischer Daten – eine Herausforderung, denn die Menge medizinischer Daten dürfte jedes Jahr um nahezu 50 Prozent ansteigen, so die Prognosen. Den größten Beitrag dazu leistet die Bildgebung selbst: 90% der medizinischen Datenmengen stammen aus diesem Sektor. Rund 675 Exabyte (Exabyte = eine Milliarde Gigabyte) an Bildinformationen wird die Radiologie beispielsweise im Jahr 2019 produzieren. Das sind rund 13,5 Billionen Schichtbilder. Genutzt werden davon aber derzeit nur rund sieben Prozent. Die übrigen 93% „liegen ungenutzt im PACS und sonst wo herum“, so Floca.

Wie KI helfen kann

Dass soviel Information brach liegt, hat laut Floca einen guten Grund: Eine solche Datenflut lässt sich durch rein manuelle Analysen nicht mehr bewältigen. Würden alle 9000 Radiologen Deutschlands mithelfen und jedes der 13,5 Billionen Bilder des Jahres 2019 einzeln analysieren, bräuchten sie fast 50 Jahre. Um in Zukunft mehr Nutzen aus den Daten zu ziehen, braucht es daher maschinelle Unterstützung.

Intelligente Computerprogramme könnten aber auch dazu beitragen, dass die Qualität von Bildanalysen einheitlicher wird. In der Neuroonkologie zeigen sich etwa signifikante Unterschiede bei der Untersuchung der Tumor Response anhand der RANO-Kriterien, da die Erfahrenheit des Auswerters großen Einfluss darauf hat. Eine vollautomatische Datenanalyse durch ein künstliches neuronales Netzwerk konnte jetzt die Befundungsqualität auf gleichbleibendes Expertenniveau anheben und vereinheitlichen (Kickingereder P et al, Lancet Oncology 2019).

Forschungsumgebung für Algorithmen schaffen

In den letzten Jahren häufen sich solche Studien, die hoffnungsvoll zeigen, wie Algorithmen Ärzte unterstützen oder einzelne Arbeitsschritte gar übernehmen könnten. Trotz der steigenden Zahl an Möglichkeiten bleibe in Deutschland der Einfluss von Algorithmen sowohl in der Forschung als auch in der klinischen Praxis weiterhin gering, stellte Floca fest. Warum? Weil für die hiesige Forschung zu wenig einheitliche Lern- und Lehrdaten zur Verfügung stehen.

Zentren zur Datenintegration schaffen

Um die für maschinelles Lernen nötigen Datenmengen zu sammeln, wurde in Deutschland die Medizininformatik-Initiative ins Leben gerufen. Die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützte Initiative soll den Austausch von Daten zwischen den Forschungsinstituten fördern. Innerhalb dieser Initiative haben sich bereits verschiedene Konsortien differenziert, die sich auf unterschiedliche Weise mit der Problematik beschäftigen. Eines davon ist das Konsortium HighMed, welches sich dem Aufbau von Datenintegrationszentren verschrieben hat. Momentan fokussiert sich HighMed auf die Gebiete Onkologie, Kardiologie und Infektionskontrolle.

Der Algorithmus kommt zu den Daten – nicht umgekehrt

Für rein onkologische Forschungsthemen hat das DKFZ die Joint Imaging Plattform gegründet, um eine technische Infrastruktur für maschinelles Lernen aufzubauen, bei der die Patientendaten die jeweilige Klinik nicht verlassen müssen, sondern der Algorithmus zu ihnen gesandt wird. Damit soll eine Umgebung entstehen, in der multizentrische Forschung zum Thema Deep Learning in Deutschland möglich wird. Beteiligt sind neun deutsche Forschungseinrichtungen, unter anderem die Unikliniken Freiburg und Heidelberg und die Charité Berlin. Um die Bildgebungsdaten der verschiedenen Zentren miteinander vergleichbar zu machen, harmonisieren die Zentren derzeit auch ihre Bildgebungsmodalitäten. Unter anderem werden dafür MRT-Protokolle und Messtechniken angepasst.

KI muss eigene Entscheidungen erklären

Damit intelligente Algorithmen ihren Weg auch in die klinische Praxis finden, muss noch ein weiterer Schritt getan werden: Die Entscheidungsfindung eines Algorithmus muss transparent und nachvollziehbar sein. Derzeit findet sie in der sogenannten Black Box statt, deren Inhalt nicht einmal die besten Informatiker problemlos entschlüsseln können. Bessere Einsicht in die Entscheidungswege würde aber das Vertrauen in die Technik steigern, meinte Floca. Die intelligenten Systeme dürften daher nicht nur ihre fertige Entscheidung mitteilen, sondern müssten sie auch erklären. Zusätzlich ist es wichtig, dass die Algorithmen auch angeben, wie hoch die Unsicherheit bei der jeweiligen Entscheidung liegt. Schließlich sollten intelligente Algorithmen wie Experten agieren und von Experten erwarte man solche Transparenz.

So müsste etwa ein Algorithmus zur Detektion von Hirnblutungen nicht nur die gefundene Blutung anzeigen, sondern zusätzlich eine Attention-Map liefern, auf der der Befunder sieht, in welchem Areal der Algorithmus nach Auffälligkeiten gesucht hat. Des Weiteren müsste der Algorithmus alle Fälle anzeigen, die er für seine Entscheidung für relevant hielt.

Zusammenfassend betrachtet bestehe kein Zweifel, so Floca, dass KI-Algorithmen in naher Zukunft einen wichtigen Stellenwert in der Radiologie und der personalisierten Medizin spielen werden. Radiologen werden dabei eine Schlüsselposition einnehmen, in steter Wechselwirkung mit den Klinikern und anderen diagnostischen Fachgebieten sowie der IT.

 

Referenzen

Kickingereder P et al.
Automated quantitative tumor response assessment of MRI in neuro-oncology with artificial neural networks: a multicenter, retrospective study.
Lancet Oncology 2019

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