RöKo 2023 – KI in der Screening-Mammographie

RöKo 2023 – KI in der Screening-Mammographie

Künstliche Intelligenz (KI) kann eine frühe und genaue Diagnose von Brustkrebs im Screening unterstützen. Noch entscheiden die Algorithmen nicht ganz allein – und sollten es auch nicht.

  • Präsentationstag:
    18.05.2023 0 Kommentare
  • Autor:
    biho/ktg
  • Sprecher:
    Constance Lehman, Harvard Medical School, Boston
  • Quelle:
    RöKo 2023

Gut genug? Kommerzielle KI-Algorithmen für die Screening-Mammographie

Die von der FDA zugelassenen KI-Anwendungen für die Screening-Mammographie zur Detektion von Läsionen und zur Diagnose dokumentieren: Die menschliche Befundung wird besser, wenn sie durch KI unterstützt wird. Constance Lehman, Harvard Medical School, Boston, mahnte jedoch zur Vorsicht angesichts dieser Aussage, denn: Die nach FDA-Vorgaben dokumentierte Performance einer KI stammt aus der retrospektiven Auswertung von ungefähr 240 Mammogrammen mit einem hohen Prozentsatz an Krebsbefunden, befundet von um die 15 Befunder:innen (Lamb 2022). „Das ist ein künstliches Setting und entspricht nicht der klinischen Realität“, gab Lehman zu bedenken.

Uneinheitlich: KI-Bewertung in Studien

Studien zur Performance von KI-Anwendungen im Mammographie-Screening zeigen unterschiedliche Ergebnisse:

Hickman et al. schauten sich im Jahr 2020 die Performance von Algorithmen im Vergleich zu Radiolog:innen bei der Befundung von Screening-Mammographien an. Die verschiedenen KI-Systeme detektierten Läsionen durchschnittlich mit höherer Genauigkeit (AUC=0,89) als die Radiolog:innen (AUC=0,85). Der Review bewertete allerdings nur 14 retrospektive Studien.

Ein vom britischen Screening-Komitee 2021 in Auftrag gegebener Review ergab: 34 (94 %) der 36 bewerteten KI-Systeme waren weniger genau als ein:e einzelne:r Befunder:in, und alle waren weniger genau als der Konsens von zwei oder mehr Radiolog:innen (Freeman 2021). Die Bewertungen der AI-Systeme erstreckten sich allerdings über den langen Zeitraum von 2010 bis 2021.

„Ich möchte KI gerne anwenden, um die Diagnose und Therapie von Brustkrebs zu verbessern“, so Lehman. „Aber ich bin angesichts dieser Zahlen noch vorsichtig.“

Vorsicht: KI beeinflusst Radiolog:innen

Radiolog:innen lassen sich außerdem von KI-Empfehlungen in ihren Entscheidungen beeinflussen, zeigten Thomas Dratsch et al. (2023). Wenn Radiolog:innen mit unterschiedlicher Befundungserfahrung von KI falsch vorbefundete Mammogramme bewerten sollen, stellen insbesondere unerfahrene Radiolog:innen die KI-Bewertung nicht in Frage. „Diese Beeinflussung wird von Mensch zu Mensch unterschiedlich sein“, sagte Lehman. „Sie ist in jedem Fall nicht vorhersehbar. Auf dieses Verzerrungsrisiko müssen wir ein Auge haben.“

Besser: KI gemeinsam mit Radiolog:innen

Bisher befunden in Deutschland zwei Radiolog:inenn unabhängig voneinander die Screening-Mammogramme. Stimmen die Befunder:innen nicht überein, kommt es zur Konsensuskonferenz. Bei den meisten KI-Ansätzen geht es darum, den/die zweite:n Befunder:in durch eine KI zu ersetzen. Das hält Lehman derzeit für keine gute Idee. Sie erläuterte einen vielversprechenden KI-Ansatz, der die Effizienz von Befunder:in und KI zusammen verbessern will. Bei diesem so genannten „Decision Referral Pathway“ soll die menschliche Befundung nicht ersetzt, sondern unterstützt werden. Das funktioniert so: Die KI triagiert die Mammographien noch vor der ärztlichen Befundung. Die Befunder:innen können sich dann alle Untersuchungen ohne die markierte Vorselektion der KI ansehen. Erst, wenn der/die Befunder:in einen potenziell auffälligen Fall als „normal“ beurteilt hat, der von der KI intern als „auffällig“ markiert wurde, bekommt er/sie einen diesbezüglichen Hinweis – und kann sich den Befund dann noch einmal genauer ansehen (Leibig et al. 2023). Die KI fungiert also wie eine dritte Befunderin.

„Die Ergebnisse zeigen schon, dass die menschliche Doppelbefundung langfristig durch eine menschliche Einzelbefundung mit KI-Unterstützung ersetzt werden kann“, sagte Lehman. „Große Screening-Programme wie das Nationale Screening-Programm in Deutschland sind gut positioniert, um die Leistung der KI in verschiedenen Bereichen zu bewerten.“

Ausblick

Die computer-assistierte Auswertung von Mammogrammen ließ die FDA 1998 zu. Derzeit sind mehrere FDA-geprüfte KI-Algorithmen für die Triage oder Diagnose von Mammogrammen auf dem Markt. Künftig könnte KI eine Untergruppe von Untersuchungen ohne radiologische Unterstützung befunden – und irgendwann sogar ganz ohne Radiolog:innen. Weiterführende KI-Systeme könnten schon in der Lage sein, das Erkrankungsrisiko zu bestimmen.

Dratsch T et al. Automation Bias in Mammography: The Impact of Artificial Intelligence BI-RADS Suggestions on Reader Performance. Radiology. 2023;307(4):e222176.

Freeman K et al. Use of artificial intelligence for image analysis in breast cancer screening programmes: systematic review of test accuracy. BMJ. 2021;374:n1872. Published 2021 Sep 1.

Hickman SE et al. Machine Learning for Workflow Applications in Screening Mammography: Systematic Review and Meta-Analysis. Radiology. 2022;302(1):88-104.

Lamb LR et al. Artificial Intelligence (AI) for Screening Mammography, From the AJR Special Series on AI Applications. AJR Am J Roentgenol. 2022;219(3):369-380.

Leibig C et al. Combining the strengths of radiologists and AI for breast cancer screening: a retrospective analysis. Lancet Digit Health. 2022;4(7):e507-e519.

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