Überarbeitete MS-Leitlinien: Was gibt’s Neues zum Kontrastmitteleinsatz?

Überarbeitete MS-Leitlinien: Was gibt’s Neues zum Kontrastmitteleinsatz?

Die Revision der MS-Leitlinien reduziert die wiederholte Anwendung auch makrozyklischer GBCA.

  • Datum:
    12.06.2022 0 Kommentare
  • Journal:
    Radiologe 2022;62:322-326
  • Titel:
    Neue MRT-Leitlinien bei multipler Sklerose
  • Autor:
    Wolfgang Reith, Alena Hausmann, Michael Kettner
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Die kürzlich in The Lancet veröffentlichte Revision der Multiple-Sklerose-Leitlinien führt erstmals die aktuellen Empfehlungen dreier Fachgesellschaften zusammen:

  • MAGNIMS (Magnetic Resonance Imaging in MS)
  • CMSC (Consortium of Multiple Sclerosis Centers)
  • NAIMS (North American Imaging in MS Cooperative)
Einen Überblick über die aktuellen Empfehlungen geben Wolfgang Reith, Alena Hausmann, Michael Kettner. Alle drei arbeiten in der Neuroradiologie am Universitätsklinikum in Homburg/Saar. Hier in Kürze, wie die Empfehlungen zur Anwendung Gadolinium-basierter Kontrastmittel (GBCA) aussehen.

Einen Überblick über die aktuellen Empfehlungen geben Wolfgang Reith, Alena Hausmann, Michael Kettner. Alle drei arbeiten in der Neuroradiologie am Universitätsklinikum in Homburg/Saar. Hier in Kürze, wie die Empfehlungen zur Anwendung Gadolinium-basierter Kontrastmittel (GBCA) aussehen.

Scanner-Feldstärke

Feldstärken von 1,5T genügen für die Läsionserkennung. Das gilt auch für die kontrastverstärkten axialen T1-gewichteten Sequenzen. Technische Anforderungen: Ausreichendes Signal-Rausch-Verhältnis und räumliche Auflösung ≤1 mm × 1 mm.

Erstuntersuchung – Standardisiertes spinales MRT-Protokoll

Für die initiale Untersuchung der MS kommt weiterhin Kontrastmittel zum Einsatz. Dies dient dem Erfassen der zeitlichen Diskriminierung. Eine doppelte oder dreifache Dosierung des Kontrastmittels (also 0,2 bzw. 0,3 mmol/kg Körpergewicht) soll nicht erfolgen.

Nach Kontrastmittelgabe sollte eine T1-gewichtete SE-Sequenz hinzugefügt werden. Native T1-gewichtete Sequenzen sollten nicht mehr routinemäßig durchgeführt werden, da sie nur geringen Nutzen bieten.

Follow-Up-Bildgebung

Eine wiederholte MRT des Gehirns zum Erfassen von räumlicher und zeitlicher Diskriminierung wird empfohlen. Frequenz alle 6 bis 12 Monate, Verzicht auf Kontrastmittel wird empfohlen. 

Wird beim Follow-Up Kontrastmittel verwendet, sollte die Verzögerung zwischen Kontrastmittelgabe und Beginn der T1-gewichteten Sequenzen möglichst identisch und nicht kürzer als fünf Minuten sein – besser zehn Minuten.

Praxistipp: Kontrastmittelgabe schon vor Akquisition der T2-gewichteten und FLAIR- Sequenzen.

Sehnervenprotokoll

In der Leitlinien-Revision wird angeregt, bei PatientInnen mit einer ersten klinischen Symptomatik den Sehnerv in den Kriterien zur zeitlichen Diskriminierung zu berücksichtigen.

Zu einem standardisierten Sehnervenprotokoll gehören

  • axiale und koronale T2-gewichtete oder STIR-Sequenzen mit Fettsuppression
  • kontrastmittelverstärkte T1w-Sequenzen mit Fettsuppression

Monitoring von therapeutischer Wirksamkeit und Krankheitsaktivität

Um Krankheitsaktivität und therapeutische Wirksamkeit zu überwachen, reicht ein Standard-MRT-Protokoll mit diesen Bestandteilen aus:

  • Sagittale 3D-FLAIR inklusive multiplanarer Rekonstruktionen (axial + sagittal)
  • Bei Bedarf kontrastmittelverstärkte T1-gewichtet Bildgebung

Die Leitlinien-Revision schränkt den Einsatz von GBCA bei MS-PatientInnen ein:

  • Neue bzw. aktive, also sich vergrößernde T2-Läsionen gelten als zuverlässiger Marker für ein aktives entzündliches Geschehen. In vielen klinischen Situationen können sie GBCA-anreichernden Läsionen überlegen sein.
  • Nötig werden kann eine Kontrastmittelgabe, wenn über Therapien oder deren Änderung entschieden werden soll.

Pharmakovigilanz – Progressive Multifokale Leukenzephalopathie

Vor allem bei PatientInnen, die mit Natalizumab behandelt wurden, hat die progressive multifokale Leukenzephalopathie (PML) eine verhältnismäßig hohe Inzidenz. Für den Verlauf einer PML ist ihre frühe Diagnose entscheidend. Dies sollte ein entsprechendes MRT-Protokoll beinhalten:

Zu einem standardisierten Sehnervenprotokoll gehören

  • FLAIR-, T2-gewichtete und diffusionsgewichtete Bildgebungssequenzen
  • Kontrastmittelgabe empfohlen

Pädiatrische MS-PatientInnen

Bei Kindern mit MS sollte eine Kontrastmittelgabe möglichst nur im Rahmen der initialen Diagnostik erfolgen.

MRT in Schwangerschaft und Stillzeit

Wenn nötig, kann auch in der Schwangerschaft eine MRT durchgeführt werden, möglichst bei 1,5 T. Eine Kontrastmittelgabe in der Schwangerschaft ist als kontraindiziert anzusehen. In diesem Punkt weicht die Leitlinien-Revision von den aktuellen Leitlinien der European Society of Urogenital Radiology (ESUR) ab. Dort heißt es:

Wenn eine zwingende Indikation für eine kontrastverstärkte MRT besteht, sollte Schwangeren nur die kleinstmögliche Dosis eines makrozyklischen gadoliniumhaltigen Kontrastmittels verabreicht werden.“

Während der Stillzeit ist eine Kontrastmittelgabe nicht streng kontraindiziert, da weniger als 0,04 % des injizierten Kontrastmittels in die Muttermilch übergehen, so die Leitlinien-Revision. Die aktuellen Leitlinien der ESUR besagen, dass das Stillen nach Gabe eines makrozyklischen gadoliniumhaltigen Kontrastmittels normal fortgesetzt werden kann.

Referenzen

Wattjes MP et al. 2021 MAGNIMS–CMSC–NAIMS consensus recommendations on the use of MRI in patients with multiple sclerosis.
The Lancet Neurology 2021;20(8):653-670

European Society of Urogenital Radiology.
ESUR guidelines on contrast agent 10.0. März 2018

mh/ktg
12.06.2022

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