RöKo 2021 – Lungenkrebs-Screening: Potenzial von KI-Tools

RöKo 2021 – Lungenkrebs-Screening: Potenzial von KI-Tools

Die Einführung eines Programms zur Früherkennung von Lungenkrebs in Deutschland ist in zwei bis drei Jahren zu erwarten. KI-Tools dafür stehen bereits zur Verfügung, so Jens Vogel-Claussen, MH Hannover.

  • Präsentationstag:
    17.04.2021 0 Kommentare
  • Autor:
    mh/ktg
  • Sprecher:
    Jens Vogel-Claussen, Medizinische Hochschule Hannover
  • Quelle:
    RöKo 2021

Rund 50.000 Menschen sterben in Deutschland Jahr für Jahr an Lungenkrebs, die Fünf-Jahres-Überlebensrate ist gering. Die Prognose ist aber gut, wenn die Erkrankung früh entdeckt wird.

Low-Dose-CT funktioniert

„Die Low-Dose-CT funktioniert“, so Vogel-Claussen. Im Vergleich zum Thorax-Röntgen senkt sie die Lungenkrebs-Sterblichkeit um rund 20 Prozent, wie das US-amerikanische National Lung Screening Trial (NEJM 2011) zeigte.

KI-Tools für Detektion und Analyse

KI-Tools können in der Lungenkrebs-Früherkennung verschiedene Aufgaben übernehmen – in automatischer Detektion, Analyse und Management. Der Bedarf für gute Algorithmen ist hoch: Im National Lung Screening Trial zeigte sich, dass die Rate falsch-positiver Befunde der Low-Dose-CT mit 96,4% noch extrem hoch ist.

Volumetrie

Für die Beurteilung von Lungenrundherden ist das Volumen der Herde wichtiger als deren Durchmesser, wie Oudkerk et al. zeigten (Lancet Oncol 2017). „Aber die Volumetrie ist sehr aufwendig, das macht man nicht sehr häufig“, so Vogel-Claussen. KI-Tools versprechen hier Entlastung und einen echten Mehrwert.

Detektion

In der Detektion von Lungenrundherden performte ein KI-Tool von Google mit einer Area under Curve von 94,4% besser als alle sechs zum Vergleich angetretenen RadiologInnen. Dabei reduzierte der Algorithmus die falsch-positiven Befunde um 11% und die falsch-negativen um 5% im Vergleich zu den menschlichen BefunderInnen. Dies galt zumindest, wenn keine früheren CT-Bilder verfügbar waren. Waren frühere Aufnahmen verfügbar, waren die Leistungen von KI-Tool und RadiologInnen vergleichbar gut. Die Studie von Ardila et al. (Nature Medicine 2019) basierte auf rund 6.700 Fällen des National Lung Cancer Screening Trial – „hochwertige Datensätze“, wie Vogel-Claussen betonte.

Was die klinische Anwendbarkeit dieses Algorithmus’ betrifft, habe sich der Zweitautor der Studie, Atilla P. Kiraly, ihm gegenüber noch zurückhaltend geäußert: Der Algorithmus ist noch nicht als Medizinprodukt zugelassen und muss auch noch validiert werden.

Photon-Counting als Booster

Die Photon-Counting-CT dürfte „ein Booster die Lungenrundherd-Erkennung werden“, erwartet Vogel-Claussen. Das Verfahren löst die Photonen direkt in elektrische Signale auf statt erst in Lichtsignale. Von der deutlich besseren räumlichen Auflösung profitiert auch die Darstellung der Rundherd-Spikulationen, wie Kopp et al. zeigten (Sci Rep 2018).

Karzinom, KHK, Emphysem: Die „Big 3“

Wenn ein Screening zur Früherkennung von Lungenkrebs eingerichtet wird, gilt es auch mit potenziellen Nebenbefunden der thorakalen Bildgebung umzugehen:

Die Prävalenz für Koronare Herzerkrankung (KHK) ist unter Rauchern hoch. Sie ist in dieser Gruppe als Todesursache in etwa ebenso häufig wie der Lungenkrebs.

Das koronare Kalzium hat einen hohen prädiktiven Wert. Wie wichtig die Kalzium-Quantifizierung als diagnostischer Bestandteil ist, bestätigen die Leitlinien der American Heart Association (AHA). „Das Lungenscreening wird hier ein echter Game-Changer werden“, prophezeite Vogel-Claussen.

Eine hohe Prävalenz bei Rauchern hat auch das Emphysem. Das Quantifizieren des Emphysems wird durch KI-Tools zuverlässiger werden, erwartet Vogel-Claussen. Hier könnten die RadiologInnen echten Mehrwert generieren.

„Vor der interventionellen Emphysemtherapie ist die Emphysemquantifizierung ein Muss“, ergänzte im Chat Julia Ley-Zaporozhan, LMU München.

Kombination verschiedener KI-Tools mit gemeinsamer Software

„CAD ist meines Erachtens schon jetzt als Second Read akzeptiert“, so Vogel-Claussen. Die KI-Tools für die Lungenkrebs-Früherkennung werden sich dynamisch weiterentwickeln. Die Nase vorn haben werden Firmen, die nicht nur Einzellösungen, sondern eine Kombination von Anwendungen auf einer Software-Plattform anbieten – etwa zur Diagnostik von Lungenherden plus Emphysem plus Koronarkalk. Weitere Fortschritte dürften sich ergeben, wenn Blutwerte und ‚Breathomics’ einbezogen werden.

Perspektive Lungenkrebs-Früherkennung in Deutschland

Früherkennungsuntersuchungen wissenschaftlich zu bewerten ist in Deutschland Aufgabe des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS). Zu bewerten sind unter anderem die Anforderungen an die Untersuchung, die Einschlusskriterien für die Zielgruppe und das Nutzen-Risiko-Verhältnis.

Das IQWiG kommt in seinem Abschlussbericht vom Oktober 2020 zu einer positiven Einschätzung: „Zusammenfassend wird ein Anhaltspunkt für einen Nutzen des Low-Dose-CT-Screenings gegenüber keinem Screening festgestellt und somit, dass für (ehemalige) starke Raucherinnen und Raucher der Nutzen des Low-Dose-CT-Lungenkrebsscreenings den Schaden überwiegt.“

Auch die Bewertung des BfS dürfte positiv ausfallen, erwartet Vogel-Claussen.

Referenzen

Ardila D et al. End-to-end lung cancer screening with three-dimensional deep learning on low-dose chest computed tomography.
Nature Medicine 2019;25:954–61

Kopp F et al. Evaluation of a preclinical photon-counting CT prototype for pulmonary imaging.
Sci Rep 2018;8(1):17386

National Lung Screening Trial Research Team; Aberle DR et al. Reduced lung-cancer mortality with low-dose computed tomographic screening.
N Engl J Med 2011;365(5):395-409

Oudkerk M et al. European position statement on lung cancer screening.
Lancet Oncol 2017;18(12):e754-e766

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