ECR 2024 – Stabile KHK: CT für Risiko-Vorhersage und Patient:innen-Management

ECR 2024 – Stabile KHK: CT für Risiko-Vorhersage und Patient:innen-Management

Die CT-Koronarangiographie (CCTA) ist geeignet, um Patient:innen mit stabilem Thoraxschmerz zu untersuchen. Am besten funktioniert das bei Patient:innen mit mittlerer Vortestwahrscheinlichkeit.

  • Präsentationstag:
    01.03.2024 0 Kommentare
  • Autor:
    mh/ktg
  • Sprecher:
    Marc Dewey, Charité – Universitätsmedizin Berlin
  • Quelle:
    ECR 2024
  • Bei Patient:innen mit stabilem Thoraxschmerz unterscheidet sich die Rate der schweren unerwünschten kardialen Ereignisse (MACE) nicht zwischen CT und invasiver Koronarangiographie (ICA).
  • Die CT verringert die Rate der erweiterten MACE und der schweren verfahrensbedingten Komplikationen. (Erweiterte MACE = primäre MACE plus koronare Revaskularisierung und Krankenhausaufenthalt wegen Herzinsuffizienz oder instabiler Angina pectoris.)
  • Frauen und Männer profitieren unterschiedlich von einer CT-First-Strategie.

Wann hat die CCTA die höchste diagnostische Genauigkeit?

„Wie man eine koronare Herzkrankheit bestätigen oder ausschließen kann, hängt stark von der klinischen Vortestwahrscheinlichkeit ab“, sagt Marc Dewey, Charité Berlin.

Die große Meta-Analyse des COME-CCT-Konsortiums (Haase 2019) zeigt: Die Diagnose einer obstruktiven koronaren Herzkrankheit (KHK) mittels CCTA bei Patient:innen mit stabilem Thoraxschmerz war am genauesten, wenn die klinische Vortestwahrscheinlichkeit zwischen 7% und 67% lag. „In diesem Bereich ist die CT ein wirklich gutes Ausschlussverfahren“, so Dewey.

Evidenz – Systematischer Studienüberblick

1. Abschlussbericht des IQWiG – Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen

„Normalerweise zeigen wir an dieser Stelle die NICE-Leitlinien – aber das deutsche IQWiG hat tatsächlich den besten Evidenzbericht, den man sich denken kann“, so Dewey (IQWiG. Abschlussbericht zu Projekt: D22-01; Version: 1.1; 20.06.2023). Eine der zentralen Aussagen:

Die CT ist ein geeignetes Verfahren für Patient:innen mit stabilem Thoraxschmerz und KHK-Verdacht mit mittlerer Vortestwahrscheinlichkeit (10-60% laut DISCHARGE-Studie).

  • Der IQWiG-Abschlussbericht ist die wissenschaftliche Grundlage für die jüngste Entscheidung, die CT-Koronarangiographie in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland zu übernehmen.
  • Er steht im Einklang mit der Konsenserklärung der Studiengruppe Quantitative Cardiovascular Imaging (Mézquita 2023).

2. SCOT-HEART Studie

Zentrale Grundlage für den IQWiG-Bericht war die SCOT-HEART-Studie, so Dewey. Die beiden bedeutendsten Publikationen aus dieser Studie zeigen:

  • Die CCTA führt zu relevanten Änderungen in Diagnose, Untersuchungen und Therapie (Lancet 2015).
  • Diese Änderungen führen zu einem signifikanten Rückgang KHK-bedingter Mortalität bzw. nicht-tödlicher Herzinfarkte (NEJM 2019).3. DISCHARGE Studie

] CT reduziert die Rate der erweiterten MACE und der schweren verfahrensbedingten Komplikationen. Frauen und Männer profitieren unterschiedlich von einer CT-First-Strategie. Bei jüngeren Patienten war die CT mit einem geringeren Risiko für schwere verfahrensbedingte Komplikationen verbunden.

3. DISCHARGE Studie

Die DISCHARGE-Studie (Napp 2017) verglich die Effektivität von CT und invasiver Koronarangiographie (ICA). An einer Population von 3.561 Patient:innen zeigte sie:

  • Bei Patient:innen, die mit stabilem Thoraxschmerz und mittlerer KHK-Vortestwahrscheinlichkeit zur ICA überwiesen wurden, war das MACE-Risiko in der CT- und der ICA-Gruppe ähnlich (DISCHARGE Trial Group, NEJM 2022).
  • Die Häufigkeit größerer eingriffsbedingter Komplikationen war bei initialer CT-Strategie geringer (DISCHARGE Trial Group, NEJM 2022).

Dewey, Koordinator des DISCHARGE-Projekts, präsentierte Ergebnisse einiger jüngst veröffentlichter Sub-Analysen:

Geschlecht + Größere verfahrensbedingte Komplikationen

Vor allem Frauen profitieren von der CT, weil sie die Rate verfahrensbedingter größerer Komplikationen verringert. Bei Frauen reduzierten sich diese Komplikationen drastisch (0,3% mit CTA gegenüber 2,1% mit ICA).

„Wahrscheinlich lässt sich das so interpretieren, dass diese Verfahren nicht für Frauen ausgelegt sind. Alle Geräte für die Behandlung wurden nicht für Frauen entwickelt und getestet“, erklärte Dewey. (DISCHARGE Trial Group, BMJ 2022).

Diabetes + “Erweiterte MACE”

Bei Patient:innen mit Diabetes sind die Raten kardialer Ereignisse relativ hoch. Wurden diese Patient:innen zur Abklärung eines stabilen Thoraxschmerzes zur ICA überwiesen, zeigte sich in Bezug auf MACE kein Unterschied zu einer CT-First-Strategie. Allerdings könnte ein CT-First-Ansatz mit einer geringeren Rate an erweiterten MACE (inkl. koronare Revaskularisierung und Krankenhausaufenthalt wegen Herzinsuffizienz oder instabiler Angina pectoris) und weniger schweren verfahrensbedingten Komplikationen einhergehen. „Das ist eine relevante Outcome-Änderung“, betonte Dewey (Benedek 2023).

Alter + Größere eingriffsbedingte Komplikationen

Für den primären Endpunkt MACE fand sich kein Zusammenhang mit dem Alter der Patient:innen (DISCHARGE-Studiengruppe 2024). Allerdings ging die CT bei jüngeren Patient:innen mit einem geringeren Risiko für schwerere verfahrensbedingte Komplikationen einher.

Bisher unerfüllte Anforderungen an die CCTA

CCTA-Nutzen bei Patient:innen mit hoher KHK-Wahrscheinlichkeit?

Wir brauchen bessere Einblicke in die Effektivität der CT bei Patient:innen mit hoher klinischer Wahrscheinlichkeit für eine KHK, so Dewey: „Wenn wir uns die aktuelle Evidenz ansehen, ist die CT wahrscheinlich auch hier das Richtige, denn wir sehen, dass die invasive Behandlung mit einer Roadmap sicherer wird, wie sie uns die koronare CT-Angiographie liefert.“

Wie die CCTA an die geeigneten Patient:innen bringen?

Der Einsatz der CCTA bei den falschen Patient:innen – zum Beispiel bei nur leichtem Thoraxschmerz – führt zu unnötigen weiteren Untersuchungen und Behandlungen und würde zu zusätzlichen unerwünschten Ereignissen führen. „Deutschland übernimmt die kardiale CT in den Leistungskatalog der GKV, dabei wird es eine echte Herausforderung sein, das richtig hinzubekommen“, so Dewey.

CCTA für Patient:innen mit akutem Thoraxschmerz?

Die multizentrische RAPID-CTCA-Studie verglich die frühzeitige CCTA mit der Standardversorgung bei Patient:innen mit Verdacht auf oder bestätigtem akuten Koronarsyndrom (Gray 2021). Die Ergebnisse sprechen nicht für den routinemäßigen Einsatz einer frühen CCTA bei diesen Patient:innen.

„Es gibt keine wirklich guten Evidenzdaten, um die CCTA bei diesen Patienten in Betracht zu ziehen, aber möglicherweise hat die CCTA bei bestimmten Untergruppen einen zusätzlichen Nutzen“, so Dewey.

Integration von CT und MRT?

„Die Integration von CT- und MRT-Befunden ist ein wichtiges Anliegen“, so Dewey. „Warum sollten wir diese beiden sich ergänzenden Modalitäten nicht besser nutzen?“

KI-Support für die CT-basierte Vorhersage des KHK-Risikos und das Patient:innen-Management

„KI könnte bei vielen Aufgaben unterstützen. Allerdings gibt es derzeit noch eine Reihe technischer Herausforderungen zu meistern. Wir brauchen evidenzbasierte und zuverlässige KI-Tools.“ Als Lektüre empfahl Dewey die kürzlich veröffentlichte "Roadmap on the use of artificial intelligence for imaging of vulnerable atherosclerotic plaque in coronary arteries" (Foellmer 2024).

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