RSNA 2022 – Schlaganfall: Mehr Penumbra ist besser

RSNA 2022 – Schlaganfall: Mehr Penumbra ist besser

Zeit ist Hirn. Dieser Merksatz gilt nach wie vor für viele Schlaganfallpatienten – allerdings könnte das Zeitfenster für die Thrombektomie bei "Slow Progressors" länger sein als bisher angenommen.

  • Präsentationstag:
    28.11.2022 0 Kommentare
  • Autor:
    kf/ktg
  • Sprecher:
    Sameer Ansari, Northwestern University, Chicago, IL, USA
  • Quelle:
    RSNA 2022

Patient:innen mit Verschlüssen der großen Gefäße im vorderen Hirnkreislauf können bis zu 24 Stunden nach dem Infarkt von einer Thrombektomie profitieren. Kleine Infarktkerne in Kombination mit einer großen Penumbra scheinen für das klinische Ergebnis vorteilhaft. Dies gilt wahrscheinlich auch für Verschlüsse des hinteren Hirnkreislaufs. Studien über große Kerninfarkte stehen noch aus.

Zwar ist die Inzidenz von Schlaganfällen nach wie vor hoch, die Sterblichkeit allerdings geht zurück. Medizinische Innovationen sind dafür ein Hauptgrund, allen voran die CT/MRT-Bildgebung. Dass die Bildgebung über den Erfolg endovaskulärer Eingriffe nach Schlaganfall mitentscheidet, ist durch große Studien belegt. Vor allem zwei Faktoren unterstützen die Therapieentscheidung:

  1. Die CT- und die MR-Angiographie können den Verschluss großer hirnversorgender Gefäße (large vessel occlusion, LVO) präzise erfassen.
  2. Quantitative oder semi-quantitative Stratifizierungsmethoden können Patient:innen mit kleinem Kerninfarktvolumen und großer Penumbra (also noch rettbarem ischämischem Gewebe) identifizieren.

Verlängertes Behandlungsfenster bei Schlaganfall im vorderen Hirnkreislauf

Die Bildgebung wurde zunächst genutzt, um zu entscheiden, welche Patientengruppe in welchem Zeitfenster von einer Thrombektomie profitiert, so Sameer Ansari, Northwestern University, Chicago, USA.

Die initialen Studien wurden entweder mit dem recht einfachen 10-Punkte-ASPECTS-Score (Alberta Stroke Program Early CT Score oder MR-DWI-Score) oder qualitativ mit einem mehrphasigen CTA-Scoring durchgeführt.

Die DEFUSE und die DAWN-Studie zeigten einen deutlichen Therapieeffekt für ausgewählte PatientInnen außerhalb des üblichen Zeitfensters von 6 Stunden:

In der DEFUSE-Studie (Albers 2018) erhielten alle Patient:innen eine Perfusions-CT oder eine MRT mit diffusionsgewichteter Bildgebung (DWI). Infarkt- und Ischämiegröße wurden automatisch quantifiziert, um klare Auswahlkriterien zu schaffen. Die Ergebnisse der Studie sprachen für ein verlängertes Behandlungsfenster:

Patient:innen mit einer großen Penumbra in der Perfusion profitierten von einer endovaskulären Thrombektomie 6 bis 16 Stunden nach Schlaganfallbeginn. Erhielten sie zusätzlich zur Standardtherapie eine endovaskuläre Thrombektomie, waren ihre funktionellen Ergebnisse drei Monate nach Therapie besser als nach reiner medizinischer Standardtherapie.

Die Autoren führten dies auf die Unterschiede in der Ischämieresistenz zwischen großen und kleinen Gefäßverschlüssen zurück: Bei großen Gefäßverschlüssen kompensierten die noch funktionierenden pialen Kollateralen die Ischämieschäden.

Unterscheidung zwischen „schnellen Progressoren“ und „langsamen Progressoren“

Da die Infarktausbreitung und das endgültige Infarktvolumen direkt von den pialen Kollateralen abhängen (Christoforidis 2016), lässt sich eine Unterscheidung zwischen zeitkritischen „schnellen Progressoren“ mit weniger pialen Kollateralen und weniger zeitkritischen „langsamen Progressoren“ treffen.

Für Patient:innen mit akutem Schlaganfall und Mismatch zwischen Infarkt und klinischem Defizit erweiterte die DAWN-Studie (Noguiera 2018) das Zeitfenster noch stärker: auf 6 bis 24 Stunden nach Symptombeginn oder nach ‚Last Known to Be Well’.

Dass das Alter keine Einschränkung für die Thrombektomie darstellt, hat die MR CLEAN-Studie (Groot 2020) gezeigt: Patient:innen über 80 Jahre profitieren von der Thrombektomie vermutlich sogar mehr als jüngere Patient:innen.

Aktuelle Studien

Laufende Studien befassen sich derzeit mit Schlaganfällen im hinteren Hirnkreislauf, also mit Verschlüssen der Aa. basilares. Sie machen lediglich ein Zehntel aller LVO-Schlaganfälle aus, ihre Mortalität ist mit mehr als 80% aber sehr hoch. Zwei aktuelle, randomisierte, kontrollierte Studien (RCT) geben Hinweise darauf, dass die endovaskuläre Thrombektomie bis zu 24 Stunden nach Infarkt den klinischen Outcome verbessert.

Auch für große Kerninfarkte (mit hohem Infarktvolumen) wird der Nutzen der Reperfusion mit Thrombektomie derzeit in mehreren RCTs untersucht. Deren Ergebnisse stehen bis dato noch aus.

Referenzen

Albers GW et al. Thrombectomy for Stroke at 6 to 16 Hours with Selection by Perfusion Imaging.
N Engl J Med 2018; 378:708-18

Christoforidis GA et al. Impact of Pial Collaterals on Infarct Growth Rate in Experimental Acute Ischemic Stroke.
AJNR 2017;38(2):270-75

Groot AE et al. Endovascular treatment in older adults with acute ischemic stroke in the MR CLEAN Registry.
Neurology 2020;95(2):e131-e139

Nogueira RG et al. Thrombectomy 6 to 24 hours after stroke with a mismatch between deficit and infarct.
N Engl J Med 2018;378:11-21

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