Der verschwindende Radiologe
CoViD-19 und Digitalisierung zum Trotz: RadiologInnen müssen im klinischen Ablauf sichtbar bleiben und für die anderen ärztlichen Disziplinen persönlich ansprechbar sein. Das meint Adrian Brady, Mitautor zahlreicher Positionspapiere der European Society of Radiology.
-
Datum:09.03.2021
-
Journal:Eur Radiol 2021 – online first
-
Titel:The vanishing radiologist – an unseen danger, and a danger of being unseen
-
Autor:AP Brady
Zur Originalstudie
Der Anlass war profan: Aufgrund von Bauarbeiten war die Radiologie des Mercy University Hospitals im irischen Cork vorübergehend an einen entlegenen Ort im Krankenhaus ausgelagert. Weniger sichtbar, schwerer persönlich ansprechbar waren die Radiologen und RadiologInnen mit einem Mal.
Die radiologischen Leistungen sind zwar in den letzten Jahren diagnostisch wichtiger geworden, konstatiert Brady. Das habe die Radiologie für PatientInnen wie für die überweisenden KollegInnen auch stärker wahrnehmbar gemacht. Nun aber macht Brady gleich mehrere Einflüsse aus, die für einen gegenläufigen Trend sorgen: Es droht das Abrutschen der Radiologie hin zu einem als peripher wahrgenommenen internen Dienstleister.
Künstliche Intelligenz (KI) wird den radiologischen Alltag verändern, aber die RadiologInnen keineswegs ersetzen. Dennoch verbreitet sich bei den zuweisenden Disziplinen die Annahme, dass Algorithmen künftig ganz losgelöst vom Menschen die Befundung übernehmen könnten.
PACS und Spracherkennung haben viele Prozesse beschleunigt. Aber das erhöhte Leistungsvolumen der Radiologie führt dazu, dass ihr Output innerhalb der Klinik weniger wertgeschätzt wird: Jederzeit und schnell verfügbar, anonym zugestellt, ein Ergebnis unter vielen. „Wir sind Hamster im Laufrad geworden. Wir laufen so schnell wir können – immer auf der Stelle, um das Rad in Bewegung zu halten“, so Brady. Der persönliche Kontakt sei aber durch nichts zu ersetzen. Nur so gewinnen RadiologInnen und die klinischen Disziplinen gegenseitig Einsichten in das, was das Gegenüber für seine Arbeit braucht.
Auch die Teleradiologie führt – trotz ihrer unbestreitbaren Vorzüge – dazu, dass die RadiologInnen weniger wahrgenommen werden. Sie drohen, zu reinen Output-Lieferanten degradiert zu werden. Ähnlich wirkt sich auch die strukturierte Befundung aus, sagt Brady: Der Mehrwert dessen, was die Radiologie zur klinischen Versorgung beisteuert, „geht aber über den reinen Text und Inhalt eines Befunds weit hinaus.“
Zu all diesen Trends kommt derzeit noch CoVid-19 hinzu: Die zum Infektionsschutz relativ weitgehende Abschottung der Radiologie hat den unmittelbaren menschlichen Kontakt weiter reduziert. „Wir sollten diese Art des Arbeitens nicht zur Norm werden lassen“, so Brady in der Hoffnung auf ein baldiges Beherrschen der Pandemie.
Fazit
„Wenn Produktivität nur an der Anzahl der produzierten Befunde bemisst, mag es sein, dass wir in so einer Arbeitsumgebung produktiver werden“, so Brady. Aber wenn die RadiologInnen künftig nur noch abgeschieden an der Workstation sitzen sollten, würden sie damit weder sich noch den PatientInnen und KollegInnen einen Gefallen erweisen: „Lasst uns nicht zu den Einsiedlern der Medizin werden – wir können keine Anerkennung für unseren Beitrag erwarten, wenn wir uns unsichtbar machen.“
mh/ktg
09.03.2021