RöKo 2021 – CoViD-19: „Wir brauchen die Europäische Cloud“
Deutschland hinkt bei der Digitalisierung hinterher – auch in der Medizin, wie CoViD-19 gezeigt hat. Aber: Die Radiologie kann als Blaupause für die Digitalisierung anderer medizinischer Disziplinen dienen, so die einhellige Meinung bei der Eröffnungsdiskussion des RöKo 2021.
-
Datum:06.04.2021 0 Kommentare
-
Autor:kf/ktg
-
Sprecher:T. Vogl, C. Herchenröther, F. Montgomery, J. Graf, J. Werner, J. Debatin
-
Quelle:RöKo 2021
„Deutschland hat bei der Digitalisierung den Anschluss verloren“, sagte Frank Ulrich Montgomery, Vorsitzender des Weltärztebunds. Zu bequem sei Deutschland geworden. Die solide Rechtsbeachtung habe inzwischen Vorrang vor situationsgerechtem Handeln. Vor allem die föderale Struktur in Zeiten von Corona-Entscheidungen stellte Montgomery deutlich in Frage. Geld allein helfe nicht aus der Misere.
Bundesweite Vernetzung jetzt
Die grundlegenden gesetzlichen Strukturen für eine Vernetzung sind da, sagte Jörg Debatin. Auch die Telematik-Infrastruktur ist inzwischen weitgehend online. Grundlage dafür war die Überführung der gematik (Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte mbH) weg von der Selbstverwaltung hin zur der Verantwortung durch den Bund. „Der Bund hat die Selbstverwaltung faktisch enteignet“, so Debatin. Deren Versäumnisse aus mehr als einem Jahrzehnt wirken sich immer noch negativ aus – auch auf den Umgang mit Covid-19. Im Vergleich: Dänemark ist beispielsweise in der Lage seine PatientInnen über die elektronische Patientenakte zur Impfung aufzurufen, Deutschland nicht.
„Jetzt ist die große Herausforderung die bundesweite Vernetzung auszurollen“, so Debatin. Ohne sie nutze auch die Patientenakte nichts.
Europäische Cloud
Außerdem forderte Debatin die Einrichtung einer europäischen Cloud. Im Moment ist Europa von US-Anbietern abhängig – trotz des Pochens der Europäer auf besseren Datenschutz. „Ich verstehe nicht, warum wir den Datenschutz so hoch halten und trotzdem kein Anbieter in Europa Amazon und Google Konkurrenz machen kann“, so Debatin. Auf deren Serverns seien derzeit zum Beispiel auch GKV-Daten gespeichert.
GAIA-X könnte den Bedarf decken: In dem Projekt entwickeln VertreterInnen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik derzeit Grundlagen für den Aufbau einer paneuropäischen, offenen Dateninfrastruktur.
Die von Ursula von der Leyen jüngst vorgestellte European Health Union mit dem European Health Dataspace könnte eine weitere Klammer bieten, die die Vernetzung in der EU vereinfacht, fügte Montgomery hinzu. „Wir müssen von unseren proprietären Insellösungen weg und quasi Kontinente bilden“, so Montgomery weiter.
Radiologie als Vorreiter
Diese Lösungen nutzen in der Pandemie allerdings noch nichts. „Wir hatten einen Mangel an Organisation, Information und Steuerung“, so Jürgen Graf, Ärztlicher Direktor der Uniklinikums Frankfurt/Main.
Nach dem Vorbild des hessischen Onkologie-Konzepts hat Graf als Leiter des Planungsstabs CoViD-19 im Hessischen Staatsministerium erfolgreich durch die Pandemie navigiert – durch digitale und analoge Vernetzung. Koordinierende Krankenhäuser dienten als Bindeglieder zwischen dem Planungsstab im Ministerium und den vor Ort versorgenden Krankenhäusern. Sie entwickelten ein regionales Versorgungskonzept und übermittelten aktuelle Übersichten über die Belegung und die Ressourcen aller Krankenhäuser.
Beispielsweise waren mittels iPads und gesicherter Datenverbindung gemeinsame Visiten auf Intensivstationen möglich. „Diese ‚Telemedizin für Arme’ hat funktioniert,“ so Graf. Der Stab bezog außerdem alle Stakeholder in die Diskussion ein: neben den Kliniken die ambulanten Vertreter, Praxen, die KV und auch die Gesundheitsämter.
Man müsse außerdem von der Arroganz wegkommen, die Praxen als sekundär zu betrachten. Dort gebe es schon seit den 1990er Jahren elektronische Patientenakten.
Debatin sieht die Radiologie in einer Vorreiterrolle: Die Transformation von analog nach digital hat die Radiologie schon in den späten 1990er Jahren durchlaufen. „Diese Transformation machen andere Fachgebiete jetzt erst durch“, sagte Debatin.
Referenzen
Informationen zum European Health Dataspace
ec.europa.eu/health
Informationen zu GAIA-X
bmwi.de