Radiologie im Kampf gegen CoViD-19 – Schutz von Personal und PatientInnen
Wie der radiologische Workflow unter Infektionsaspekten umgestaltet wurde, schildert ein MTRA der Berliner Charité. Außerdem: Überlegungen zur vergleichsweise geringeren, CoViD-19-bedingten Sterblichkeit in Deutschland. Teil 4 der ESR-Livestream-Reihe.
-
Präsentationstag:15.04.2020 0 Kommentare
-
Autor:mh/ktg
-
Sprecher:David Günther, Berlin; Felix Döllinger, Berlin; Anagha Parkar, Bergen (No)
-
Quelle:ESR Connect 2020
David Günther, leitender MTRA an der Radiologie der Berliner Charité, schilderte die Maßnahmen zum Schutz von Personal und PatientInnen:
Reduktion der Kontakte bei der Untersuchung
- Der Empfangsschalter der Radiologie ist geschlossen, Anmeldungen erfolgen ausschließlich telefonisch.
- Ambulante Untersuchungen finden nur noch statt, soweit sie vorher eingeplant wurden.
- Der Zugang zum Wartebereich ist beschränkt.
- Im Kontrollraum jeweils nur ein/e MTRA, Gesichtsmaske ist Pflicht.
- Im Untersuchungsraum jeweils nur ein/e MTRA. Schutzkleidung: Handschuhe, Gesichtsmaske, Schutzbrille, Schutzkittel.
- Begleitpersonal (Krankentransport sowie Personal von der Intensivstation) wartet auf dem Gang. Zur Betreuung von Intensivpatienten ist es einem Arzt bei Bedarf erlaubt, den Untersuchungsraum zu betreten.
- Zwei MTRAs bilden jeweils ein festes Team für CT, MRT oder Röntgen.
Sonstige Maßnahmen zur Reduktion der Kontakte
- Keine klinischen Konferenzrunden und reduzierte Anzahl an Fallbesprechungen
- Räumlicher Abstand bei interdisziplinären Tumorkonferenzen
- Home-Office, soweit machbar, etwa für Befundung und Forschung
- Ausschluss nicht zwingend erforderlicher Personen wie etwa Doktoranden
Patienten-Management
- Einzelne CT-Scanner sind ausschließlich CoViD-19-PatientInnen vorbehalten. Der Untersuchungsraum ist soweit wie möglich leergeräumt, nur die nötigste Ausstattung bleibt drin.
- Auf der CoViD-19-Intensivstation wurde ein eigener Röntgen-Untersuchungsraum eingerichtet.
- Ultraschalluntersuchungen von CoViD-19-PatientInnen finden ausschließlich auf Station am Krankenbett statt.
Zur Mortalitätsrate in Deutschland
Felix Döllinger ist Oberarzt an der Radiologie der Berliner Charité. Nach einer Einschätzung der Situation in Deutschland befragt, teilte er seine persönlichen Überlegungen:
Das Verhältnis positiv getesteter Personen zur Anzahl der CoViD-19-bedingten Todesfälle lag am 13. April 2020 in Deutschland bei 2,4% und damit wesentlich niedriger als in den Nachbarländern. „Trotz der gegenwärtigen Daten bleiben wir hier sehr zurückhaltend, denn das ist nur ein einziger, begrenzter Blick auf die Statistik“, so Döllinger. Es gebe aber Faktoren, die zur vergleichsweise geringeren Sterblichkeit beitragen dürften:
Ursache 1: Frühzeitig gewarnt
Mit den Infektionszahlen liegt Deutschland etwa zwei Wochen hinter Italien, das besonders stark von der Pandemie getroffen wurde. Das war hilfreich für Deutschland, weil man früher gewarnt war, wie ernst die Pandemie zu nehmen ist.
In Deutschland waren unter den frühen CoViD-19-Infizierten besonders viele aus Österreich und Italien zurückkehrende WintersportlerInnen. Diese Gruppe bestand aus überdurchschnittlich jungen und gesunden Menschen.
Die Bundesregierung nahm frühzeitig Stellung und verfügte offizielle Kontaktbeschränkungen.
Ursache 2: Umfangreiche Tests
Schon im Januar 2020 entwickelten Christian Drosten und Team an der Charité einen CoV-19-Test. Dieser wurde sehr schnell in der Breite angewendet.
Gegenwärtig werden in Deutschland wöchentlich nahezu 350.000 Teste durchgeführt. Diese sind für die Getesteten ausnahmslos kostenfrei.
Nach Döllingers Einschätzung sind diese Umstände zentral für die Deutung der derzeit vergleichsweise geringen Sterblichkeitszahlen.
Ursache 3: Nachverfolgen
Gesundheitsämter und Amtsärzte sind bemüht, jeden Fall einer CoV-19-Infektion nachzuverfolgen. So gelang es schon zwei Tage nach dem ersten identifizierten Fall in Bayern Ende Januar, den Infektionspfad zu klären, die rund 200 potenziellen Kontaktpersonen in Quarantäne zu schicken und die Standorte der betroffenen Firma in Deutschland und China zu schließen.
Ursache 4: Anzahl der Intensivplätze
Eine Statistik aus den Jahren 2017/2018 zeigt, dass Deutschland im Vergleich zu den Nachbarländern über die meisten Intensivbetten pro 100.000 EinwohnerInnen verfügt (DE: 34, A: 29, FR: 16, ES: 10). In Vorbereitung auf den CoViD-19-Ansturm konnte die Zahl der Intensivbetten in Deutschland sogar auf 50/100.000 erhöht werden.
Ein leistungsfähiges Gesundheitssystem, in dem nahezu jede/r krankenversichert ist, und die Steigerung der Anzahl an Intensivbetten mit Beatmungsmöglichkeit auf 40.000 (vor Beginn der Krise: 28.000) ermöglichen, dass bislang kein Triagieren erforderlich ist und onkologische Prozeduren und Notfallversorgung bis jetzt fortgeführt werden können. Es werden sogar PatientInnen aus besonders stark betroffenen Nachbarländern in Deutschland versorgt.
Ursache 5: Vertrauen in die Regierung
Döllinger griff die internationale Berichterstattung der letzten Wochen auf. Diese würdigt das besonnene Handeln der politischen Akteure – allen voran der Kanzlerin, die selbst Wissenschaftlerin ist – und das klare, unaufgeregte Vermitteln der Maßnahmen an die Bevölkerung. Die gute Zusammenarbeit von Regierung, Opposition und wissenschaftlichen BeraterInnen dürfte dazu beigetragen haben, dass die verhängten Maßnahmen zur Kontaktbeschränkung in hohem Maße akzeptiert und bislang auch befolgt wurden.
Döllinger wies darauf hin, dass das unterschiedliche Durchschnittsalter der Betroffenen und die verschiedenen Praktiken beim Testen in den Ländern die Zahlen zur Sterblichkeit beeinflussen. Man müsse davon ausgehen, dass sich die Relationen in den kommenden Wochen und Monaten noch ändern.
Fragen aus dem Chat
Unterscheiden sich die Zahlen der Infizierten nach Geschlecht?
In Norwegen sind die Betroffenen jünger, mit einem Durchschnittsalter von 45-46 Jahren, so Anagha Parkar, Thoraxradiologin aus Bergen/Norwegen, und deutlich mehr Männer sind betroffen.
Döllinger bestätigte, dass auch in Deutschland mehr Männer betroffen sind. Unter den PatientInnen mit schwerer CoViD-19-Pneumonie sind viele mit malignen Erkrankungen und viele DiabetikerInnen. Die schwersten Fälle seien nach seiner Beobachtung diejenigen mit starkem Übergewicht und metabolischem Syndrom gewesen.
Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit einer CoViD-19-Pneumonie bei nur einem einzigen, unilateralen, peripheren Milchglasinfiltrat im CT?
"Wir hatten zwei solcher PatientInnen", so Parkar. Sie kamen mit hohem Fieber und keine auffälligen Veränderungen des C-reaktiven Proteins (CRP). In beiden Fällen konnten wir CoViD-19 nicht ausschließen, und zwei Tage später wurden sie mittels PCR positiv getestet.
Wie viele PatientInnen erhalten eine CT, wenn das Thorax-Röntgen typische CoViD-19-Zeichen zeigt und der PCR positiv ist?
Die meisten der PatientInnen mit CoViD-19-Verdacht an der Charité werden gar nicht geröntgt, sondern mittels CT untersucht, sagte Döllinger. Wenn PatientInnen PCR-positiv getestet werden und entsprechende Symptome haben, sei die Diagnose klar, und wenn sie keine Symptome haben, werden sie in die häusliche Quarantäne geschickt. Das Thorax-Röntgen kommt an der Charité derzeit am häufigsten bei Verdacht auf Pneumothorax oder klassische Pneumonie zum Einsatz.
Strahlenschutz von CoViD-19-PatientInnen – werden wir etwas zu nachlässig und machen zu viele CT-Untersuchungen?
"Wir werden tatsächlich etwas großzügiger mit dem Anfordern von CT-Untersuchungen", sagte Parkar. Denn wenn wir bei einem Patienten Lungenveränderungen übersehen, weil sie im Thorax-Röntgen nicht zu sehen waren, könne es passieren, dass er zu spät die richtige Versorgung erhält und vielleicht sogar stirbt. Gegenwärtig sei es besser, eine CT zu viel als eine zu wenig durchzuführen. Man bemühe sich aber mit entsprechenden Protokollen um eine möglichst geringe Strahlenbelastung.
Döllinger berichtete, dass man sich an der Charité bei der Gestaltung der CoViD-19 CT-Protokolle von den pädiatrischen Protokollen habe leiten lassen. Damit lassen sich sehr geringe Dosiswerte erzielen. Es gelte bei der CoViD-19 CT in der Regel primär darum, Konsolidierungen, Milchglas- und größere Infiltrate sowie ggf. einen Pneumothorax auszuschließen.
Lassen sich die Hygienemaßnahmen zwischen den einzelnen Untersuchungen vereinfachen, wenn ausschließlich CoViD-19-positive PatientInnen versorgt werden? Etwa durch eine einfache Wischdesinfektion?
"Ich halte etwas zeitlichen Abstand zwischen Untersuchungen für wichtig", so MTRA David Günther. An der Charité desinfiziere man den CT-Scanner und den ganzen Untersuchungsraum, und das benötigt 15 Minuten zum Trocknen. Das sollte nach jedem Patienten durchgeführt werden.
Döllinger ergänzte, dass man das derzeit nicht nur bei Verdacht oder bestätigter CoViD-19-Infektion so praktiziere, sondern generell zwischen allen CT-Untersuchungen.
Gibt es eine Zunahme thromboembolischer Erkrankungen im Zusammenhang mit CoViD-19?
In Bergen sei keine Zunahme thromboembolischer Erkrankungen zu beobachten, so Parkar. Zugenommen habe aber die Anzahl von PatientInnen mit abdominellen oder neurologischen Problemen, bei denen ein Verdacht auf CoViD-19 bestehe.
PatientInnen mit Verdacht auf Schlaganfall erhalten an der Charité mittlerweile auch eine Low-Dose-CT des Thorax, berichtete Döllinger. Zwar gebe es keine gesicherten Daten, aber gefühlt zeige jeder dritte bis vierte mit neurologischen Symptomen eingewiesene Patient Zeichen, die zu CoViD-19 passen. Viele dieser Menschen kommen aus Seniorenheimen in die Klinik. CoViD-19 könne auch zu erhöhten Troponin-Werten führen. Das sei insofern relevant, als man bei PatientInnen mit akutem Koronarsyndrom früher kein Thorax-CT gemacht hätte. Die meisten von ihnen wären einfach direkt zum Herzkatheter weitergeleitet worden.
Anmerkung zur Übertragung
Bedingt durch einen Zusammenbruch des Videoservers stand uns für diese Zusammenfassung der Livestream am 15.4.2020 nicht zur Verfügung. Aus demselben Grund ist auch die ESR-Aufzeichnung des Streams unvollständig.
Zur Aufzeichnung der Präsentation