Schlaganfallversorgung in Deutschland: „Wir stehen hervorragend da!“

Schlaganfallversorgung in Deutschland: „Wir stehen hervorragend da!“
Prof. Dr. Olav Jansen

Prof. Dr. Olav Jansen, Direktor der Klinik für Radiologie und Neuroradiologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, erläutert im Interview, wie die Schlaganfallversorgung in Deutschland organisiert ist und wie wir im internationalen Vergleich dastehen.

  • Datum:
    02.05.2018
  • Quelle:
    Deutsche Röntgengesellschaft e. V.

Herr Professor Jansen, gibt es in Deutschland eine flächendeckende Versorgung für Schlaganfall-Patienten?

Ja, da steht Deutschland einmalig in der Welt da. Zurzeit gibt es kein anderes Land, dass eine so gut ausgebaute und flächendeckende Versorgung für Schlaganfall-Patienten aufzuweisen hat. Was uns vor allem auszeichnet, sind die zahlreichen klinischen Zentren, die nach dem DeGIR- und DGNR- Ausbildungskonzept zertifizierte Spezialisten in der Neurointervention vor Ort haben. Damit gibt es kaum eine Stelle in Deutschland, von wo aus man nicht innerhalb von 60 Minuten oder weniger ein adäquates zertifiziertes Thrombektomie-Zentrum erreicht.

Wie ist die flächendeckende Schlaganfall-Versorgung organisiert?

Der Rettungsweg eines Schlaganfall-Patienten sieht die Fahrt in das nächstgelegene Krankenhaus mit einer Stroke-Unit vor. Dort erfolgen Erstversorgung und erste Diagnostik. Der Patient wird hier sozusagen als Schlaganfall-Patient identifiziert. Handelt es sich um einen schweren ischämischen Schlaganfall, bei dem das Gehirn nicht mehr richtig durchblutet wird, dann wird gegebenenfalls eine Verlegung in ein Krankenhaus mit einem Thrombektomie-Zentrum veranlasst. So sehen es die Rettungsvorschriften momentan vor. In der Diskussion ist aber auch die Variante, dass die Patienten direkt von den Rettungssanitätern als mögliche schwere Schlaganfälle identifiziert und dann gleich in ein Thrombektomie-Zentrum transportiert werden.

Wie steht die deutsche Schlaganfall-Versorgung im internationalen Vergleich? Gelten wir als vorbildlich oder gibt es Bereiche, wo es noch der Besserung bedarf?

Wie stehen hervorragend da! In London gibt es beispielsweise bis heute kein Krankenhaus, dass eine 24/7-Thrombektomie-Versorgung anbietet. Auch in den USA sieht es ähnlich aus. Dort beträgt die Thrombektomierate gerade mal etwa 15 Prozent, das heißt, dass 85 Prozent der Patienten, die von dieser Methode profitieren würden, nicht behandelt werden.

Woran liegt das?

Zunächst braucht man die Leute dazu. Diese müssen gut ausgebildet sein und die entsprechenden Strukturen aufzubauen, erfordert viel Zeit, Mühe und Geld. Da hat die deutsche Neuroradiologie schon sehr früh angefangen. Das hat historische Gründe. In der Deutschen Gesellschaft für Neuroradiologie beschäftigen wir uns immerhin schon seit über 30 Jahren mit der Behandlung des Schlaganfalls. Zudem hat die DGNR zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Interventionelle Radiologie und minimal-invasive Therapie und der Deutschen Röntgengesellschaft bereits 2012 das schon angesprochene Ausbildungsprogramm ins Leben gerufen. Damit hatten wir einen Fünf-Jahres-Vorsprung vor allen anderen Ländern und den haben wir nach wie vor. Es ist demnach wirklich eine deutsche Erfolgsgeschichte.

Für welche Patienten ist diese Therapie geeignet? Wer kann davon profitierten?

Von der Thrombektomie profitieren die Patienten, die einen schweren ischämischen Schlaganfall, einen sogenannten LVO, large vessel occlusion, haben. Das betrifft ungefähr 20 Prozent aller Schlaganfallpatienten. Allerdings fragt man sich bei der aktuellen Studienlage beinahe gar nicht mehr, wen man mit der Thrombektomie behandelt, sondern im Gegenteil, wen nicht. Denn alle Patienten, die bisher damit therapiert wurden, haben davon profitiert. Egal ob alt, jung, Mann, Frau, ob schwere oder leichte Defizite in der Motorik vorhanden sind – die Thrombektomie hat immer einen positiven Effekt.

Welche Möglichkeiten der Behandlung des Schlaganfalls gibt es neben der Thrombektomie?

Bei den ischämischen Schlaganfällen gibt es neben der Thrombektomie für die LVOs nach wie vor noch die Rechtfertigung der Thrombolyse, also der medikamentösen Behandlung. Allerdings nur im Zeitfenster von viereinhalb Stunden nach dem Schlaganfall und für kleine Gefäßverschlüsse bis ca. 4 bis 5mm Thrombusgröße. Hier ist sie auch sehr effizient. Allerdings ist sie auf die kurze Zeit direkt nach dem Schlaganfall beschränkt, da bei zu später Gabe der Medikamente Blutungen entstehen können. Das Gros der Patienten hat sogar sehr leichte Schlaganfälle mit Verschluss sehr kleiner Gefäße, bei denen man in der Akutphase gar nicht groß tätig werden kann. Hier spielen die frühen Reha-Maßnahmen die entscheidende Rolle. Es ist sehr wichtig, sofort nach einem Schlaganfall in das physikalische und logopädische Training einzusteigen, damit das Gehirn lernt mit dem entstandenen Defizit umzugehen und sich neu vernetzen kann. Je früher das geschieht, desto besser sind die klinischen Erfolge bei den Schlaganfällen.

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