'Time is Brain' gilt auch für Kinder und Jugendliche
Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V.
Bei Kindern dauert es durchschnittlich 23 Stunden, bis überhaupt die Diagnose Schlaganfall gestellt wird.
-
Datum:18.10.2019
-
Autor:NN (DSG), mh/ktg
-
Quelle:Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft
Ein Schlaganfall kann nicht nur Erwachsene treffen – jährlich kommt es auch bei zwei bis acht von 100 000 Kindern pro Jahr zum plötzlichen und hochgefährlichen Verschluss einer Gehirnarterie. Gerade in dieser sensiblen Altersgruppe vergeht jedoch oft wertvolle Zeit, bis ein Schlaganfall richtig diagnostiziert und behandelt wird.
„Während die Behandlung erwachsener Schlaganfall-Patienten in Deutschland einem ausgefeilten Protokoll folgt und auf eine schnellstmögliche Versorgung ausgerichtet ist, dauert es bei Kindern noch immer durchschnittlich 23 Stunden, bis überhaupt die Diagnose gestellt wird“, sagt Dr. med. Lucia Gerstl: Sie ist Leiterin des Deutschen Netzwerks Pediatric Stroke und Sprecherin der Initiative Pediatric Stroke (ipeds) am Klinikum der LMU München.
Dabei gelte die Devise 'Time is Brain' bei Kindern genauso wie beim Erwachsenen – je schneller die Behandlung einsetze, desto geringer ist das Ausmaß der bleibenden Schäden. Bei Erwachsenen wird eine Wiedereröffnung des blockierten Gefäßes binnen 90 Minuten angestrebt.
Gravierende Folgen der späten Schlaganfall-Diagnose
Die Folgen der schleppenden Behandlung bei Kindern können gravierend sein. „Nur rund jedes dritte Kind erholt sich nach einem Schlaganfall vollständig, bei einem Großteil kommt es zu langfristigen neurologischen Beeinträchtigungen wie einer Halbseitenlähmung oder einer Epilepsie“, so Gerstl.
In einer Studie, für die Lucia Gerstl gemeinsam mit Kollegen kindliche und jugendliche Schlaganfall-Patienten untersuchte, zeigte sich, dass die 91 Prozent der Kinder als erste Anzeichen fokale Ausfallerscheinungen wie eine Halbseitenlähmung, Gesichtslähmungen oder plötzlich auftretende Sprachstörungen entwickelten.
'beFAST'-Pocketcard für die Kitteltasche
Lucia Gerstl und ihr Team haben daraus die griffige 'beFAST'-Pocketcard für jede Kitteltasche gemacht. „FAST-Symptome sollten daher auch bei Kindern immer an einen Schlaganfall denken lassen und Anlass für eine sofortige bildgebende Untersuchung sein“, betont Gerstl – auch dann, wenn gleichzeitig eher unspezifische Beschwerden wie Übelkeit oder Kopfschmerzen oder aber auch Krampfanfälle auftreten. Zudem traten bei einem Teil der Kinder die Symptome nicht schlagartig auf, sondern zeigten einen „stotternden“ oder progredienten Verlauf. Auch das dürfe keinesfalls dazu verleiten, die Diagnose Schlaganfall auszuschließen, mahnt Gerstl.
S3-Leitlinie zum kindlichen Schlaganfall in Arbeit
Eine S3-Leitlinie zu Diagnostik und Therapie des kindlichen Schlaganfalls erarbeiten derzeit Mitglieder des Deutschen Netzwerks Pediatric Stroke und weitere Experten aus Neurologie und Bildgebung unter Federführung von Lucia Gerstl (München) und Maja Steinlin (Bern, CH).
Das Netzwerk setzt sich außerdem dafür ein, die Kinderneurologie als Notfalldisziplin zu etablieren sowie interdisziplinäre Strukturen zur Akut- und Langzeitversorgung zu schaffen, auch unter Einsatz von Telemedizin.
Gerstl präsentierte ihre Daten auf einer Pressekonferenz der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft anlässlich des bevorstehenden Weltschlaganfalltags (29. Oktober 2019).