RöKo 2018 – Diagnostische Referenzwerte nicht überschreiten

RöKo 2018 – Diagnostische Referenzwerte nicht überschreiten

Der Begriff ist sperrig, aber der Ansatz sinnvoll: „Diagnostische Referenzwerte“ sind Richtgrößen, die Strahlendosen einer Klinik oder Praxis einordnen helfen. Es sind keine fixe Obergrenzen. Dennoch: „Die diagnostischen Referenzwerte sollten unterschritten werden“, so Referent Thomas Hertlein.

  • Präsentationstag:
    09.05.2018 0 Kommentare
  • Autor:
    kf/ktg
  • Sprecher:
    Thomas Hertlein, Klinikum Nürnberg
  • Quelle:
    Deutscher Röntgenkongress 2018

„Viele wissen es nicht – aber die diagnostischen Referenzwerte wurden 2016 aktualisiert“, betonte Thomas Hertlein vom Institut für Medizinische Physik am Klinikum Nürnberg. Er erläuterte, welche Bedeutung diagnostischen Referenzwerten (DRW) in der Radiologie zukommt.

Was sind DRW?

  • DRW sind leicht messbare dosisrelevante Parameter, wie DFP (Dosis-Flächen-Produkt), DLP (Dosis-Längen-Produkt), Computed Tomography Dose Index (CTDIvol) und die in der Mammographie relevante mittlere Parenchymdosis (AGD).
  • DRW sind Richtwerte für Standarduntersuchungen an Standardpatienten. Sie repräsentieren die übliche, allerdings nicht unbedingt die gute Expositionspraxis.
  • DRW sind obere Richtwerte. Wenn eine Institution sie häufig überschreitet, muss sie Gründe prüfen, und beraten, wie sich die Strahlenbelastung verringern lässt.
  • DRW sind keine oberen Grenzwerte.

Die DRW werden als Parametermittelwerte aus mindestens zehn aufeinanderfolgenden Untersuchungen errechnet. Die Mittelwertbildung soll Schwankungen einzelner Untersuchungen ausgleichen.

Warum DRW?

Hertlein zeigte anhand von Daten des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS), dass lediglich 9% aller strahleninduzierenden Untersuchungen auf die CT entfallen, die kollektive effektive Dosis durch die CT aber bei 65% liegt. Auch im Ländervergleich der effektiven Dosen landet Deutschland weit vorne, das heißt die effektive Dosis, der die Bevölkerung ausgesetzt ist, ist im Vergleich zu anderen europäischen Ländern hoch.

Das BfS als Strahlenschutzbehörde gibt deshalb DRW heraus, die die Ärztekammern dann überprüfen.

Die letzte Aktualisierung aus dem Jahr 2016 hat im Vergleich zur Vorgängerversion von 2010 in diversen Bereichen die DRW gesenkt. Außerdem sind Untersuchungen in der neuen Version genauer aufgeteilt – beispielsweise wurde die Thorax-CT in Thorax einschließlich Nebennieren, Lunge, und Thorax und Oberbauch bis Beckeneingang aufgeschlüsselt. „Es wird diskutiert, die Untersuchungen noch weiter aufzusplitten“, so Herzlein.

Was ist Basis der DRW?

Die DRW-Aktualisierung 2016 basiert auf vier Quellen:

  • Die Ärztlichen Stellen haben mehrere 10.000 Dosiswerte aus Kliniken an das BfS weitergegeben.
  • Das privatwirtschaftliche Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH (aQua-Institut) hat mittels Befragungen über 1,3 Millionen Dosiswerte zu Koronarangiografie und TAVI aus über 800 stationären Institutionen gesammelt.
  • Die Deutsche Gesellschaft für Interventionelle Radiologie und minimal-invasive Therapie (DeGIR) hat mehrere zehntausend DFP interventioneller Eingriffe aus 271 Institutionen beigetragen.
  • Eine Umfrage zur CT-Expositionspraxis hat jeweils bis zu 600 Expositionswerte für 34 CT-Untersuchungen erbracht.

Die Daten wurden bereinigt, z.B. auf Tippfehler oder fehlerhafte Zuordnung zu CT-Untersuchungen. Danach wurde die 25., die 50. und die 75. Perzentile ermittelt. Pädiatrische Untersuchungen wurden ebenfalls einbezogen.

In einem Fachgespräch, an dem verschiedenste mit Strahlenexposition und -schutz befasste Institutionen teilnahmen – unter anderem die Deutsche Röntgengesellschaft – wurde die 75. Perzentile als DRW festgelegt.

Wie werden DRW überprüft?

Die Ärztlichen Stellen überprüfen, inwieweit eine Institution die DRW einhält. Hertlein erläuterte dies anhand des Vorgehens der Bayerischen Landesärztekammer.

In einer Institution werden für die DRW-relevanten Untersuchungen die Strahlendosen – DLP und CTDI – von mindestens zehn konsekutiven Patienten dokumentiert. Daraus wird der arithmetische Mittelwert errechnet.

Die Dokumentation erstellen die Institutionen selbst. Dabei ließen sich Werte beschönigen, erläuterte Hertlein. „Aber wenn jemand schlecht untersucht, wird er irgendwann auch schlechte Werte melden“, fügte er hinzu.

Welche Konsequenzen verursacht die DRW-Überprüfung?

Sind die Dosiswerte unter den DRW, entstehen keine Konsequenzen. Werte bis zu 30% oberhalb der DRW gelten als „im Wesentlichen eingehalten“. Liegen die angegebenen Mittelwerte allerdings mehr als 30% über den DRW für eine Untersuchung, wird gemeinsam mit dem „Betreiber“, also der Klinik oder Praxis, nach Möglichkeiten gesucht die Dosis zu verringern.

„Eine beständige Überschreitung wird problematisch“, so Hertlein. Die Ärztlichen Stellen empfehlen dann eine zusätzliche Aufnahme des Körpergewichts der Pateinten in die Dokumentation und/oder die Analyse der Patientenklientel.

Kommt es dennoch zu einer weiteren dauerhaften DRW-Überschreitung, schalten sich die Behörden ein.

Wie sieht die weitere DRW-Optimierung aus?

Hertlein nannte mehrere Punkte, wie sich die DRW weiter verbessern ließen.

Zum einen sollten neue Gerätetechniken Eingang finden. Neue Maschinen könnten eine Verringerung der Strahlendosis bis zur 50. oder sogar 25. DRW-Perzentile erreichen.

Hertlein forderte zudem einen Leitfaden für Anwender, der weitere konkrete Maßnahmen zur Dosisoptimierung enthalten solle. Der bisherige Leitfaden sei hauptsächlich für Ärztliche Stellen brauchbar, aber nicht anwenderfreundlich.

Die DRW sollten auch die Statur des Patienten berücksichtigen, zum Beispiel unter Zuhilfenahme der Size Specific Dose Estimates (SSDE).

Bei Überschreitung der DRW sollte die systematische Auswertung über Dosis-Management-Programme erfolgen.

Hertlein nannte DRW für einzelne anatomische Regionen und die Ergänzung der DRW druch lokale Referenzwerte als weitere Optimierungsmöglichkeiten. Ziel sie die Festlegung eigener Referenzwerte.

Für bedeutsame Vorkommnisse empfahl Hertlein eine Meldepflicht. Die dreifache Überschreitung des DRW sei dazu momentan in der Diskussion.

Wird Dosismanagement Teil der Strahlenschutzverordnung?

In der anschließenden Diskussion war dies die Leitfrage. Ein Behördenvertreter erläuterte, dass die Bundesbehörden durchaus darüber diskutiert hätten, Dosismanagement in die Strahlenschutzverordnung quasi „über die Hintertür“ aufzunehmen. Es werde nun allerdings nicht ausdrücklich in der Strahlenschutzverordnung stehen. Dass Dosismanagement sinnvoll sei und früher oder später kommen werde, stehe hingegen außer Frage. Inwieweit und welche Software benötigt werde, sei im Moment allerdings noch nicht festgelegt.

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