RöKo 2019 – Radiomics in 6 Schritten

RöKo 2019 – Radiomics in 6 Schritten

„Nach diesem Vortrag sollten Sie sich mit dem Begriff Radiomics besser auskennen als vorher“, so Ulrike Attenberger. Aus standardisierten Bilddaten prädiktive Marker zu entwickeln, die eine Therapieanpassung im Sinn personalisierter Medizin ermöglichen – darum gehe es.

  • Datum:
    30.05.2019 0 Kommentare
  • Autor:
    kf/ktg
  • Sprecher:
    Ulrike Attenberger, Universität Heidelberg – Campus Mannheim
  • Quelle:
    100. Deutscher Röntgenkongress 2019

Eine Hauptbotschaft schickte Attenberger vorneweg: Es sei wichtig zu wissen, dass es bei Radiomics kein „one fits it all“ Modell gebe.

Radiomics – der Begriff

Eingeführt wurde der Begriff – zusammengesetzt aus Radiologie und Genomics – bereits 2012 von Maastrichter Radioonkologen Philippe Lambin.
Grundlage für Radiomics seien zwei Entwicklungen: Erstens die massive Steigerung der Rechnerleistung und zweitens die Erkenntnis, dass gerade Tumorerkrankungen genetisch starke Unterschiede aufweisen. Inzwischen sei beispielsweise klar, dass Lungenkrebs nicht eine Erkrankung, sondern ein Tumor aus vielen unterschiedlichen Komponenten sei. Dem trage Radiomics Rechnung.

Radiomics – 6 Schritte

Was könnte das für die Arbeit von Radiologen bedeuten? „Ist unser Arbeitstool in Zukunft die Feature Map?“, fragte Attenberger. Um das Verständnis von Radiomics zu erleichtern, erklärte sie dessen sechs Hauptschritte:

  • Datenakquisition
  • ROI Definition
  • Pre-Processing
  • Datenextraktion
  • Feature Selection
  • Klassifikation

Schritt 1 – Datenakquisition

„Die Datenakquisition hat unglaublichen Einfluss auf die spätere Featureanalyse“, erläuterte Attenberger. Eine jüngste publizierte Studie am Phantom (Baessler 2019) zeige, dass jede der dort genutzten MRT-Sequenzen stabile Features erlaube. Allerdings sei die Komplexität der Features hoch und für die Sequenzen verschieden.

Die Standardisierung der Daten steckt also noch in den Kinderschuhen. Erste Qualitätsinitiativen seien aber auf dem Weg. Attenberger empfahl vor allem zwei Publikationen von (Lambin 2017 und Sanduleanu 2018) für genauere Einblicke.

Schritt 2 – Regions of Interest (ROI)

Welcher Teil einer Läsion erfasst oder eben nicht erfasst wird, hat Einfluss auf das Ergebnis. Bisher sind vor allem drei Verfahren am Start.

  • Die Bounding Box. Hier wird eine quadratische ROI über den ganzen Tumor gelegt. Der Nachteil: Neben dem Tumor gelangt auch umgebendes Gewebe in die Auswertung.
  • Erfassung eines Tumoranteils. Hier läuft man Gefahr nur einen Teil eines heterogenen Tumors zu erfassen.
  • Erfassung des Gesamttumors durch Markierung seiner Grenzen. Die Delineation der ROI anhand der kompletten Tumorgrenzen wird am häufigsten genutzt.

Standards zur Wahl der ROI existieren noch nicht. Auf die Stabilität der Ergebnisse haben die ROI-Größe und die räumliche Auflösung Einfluss. Je größer und je aufgelöster, desto besser.

Bei der Segmentierung der ROI gelte der manuelle Ansatz noch als Goldstandard. Allerdings sei der Zeitaufwand hoch und der Inter-Reader Bias sowie de Reproduzierbarkeit ein Problem. Inzwischen seien Segmentierungsalgorithmen wie Level Sets oder Region-growing based Algorithmen weit verbreitet.

Schritt 3 – Pre-Processing

„Die Features sind das Herzstück von Radiomics“, sagte Attenberger. Das Pre-Processing bedeutet grob gesprochen zu definieren, wie eine gewisse Information weiterverarbeitet soll, bevor sie verwendet wird.

Hier sind drei Schritte zu bedenken:

  • Je höher die Auflösung, desto besser die Texturanalyse.
  • Signalnormierung
  • Mit der Grauwertreduktion steigt die Signal-to-noise Rate.

Attenberger betonte auch hier, dass es kein „one fits it all“ gebe. Das Image Processing habe aber großen Einfluss auf die Feature Robustheit. „Wir brauchen dringend dezidierte Empfehlungen für das Image Processing“, forderte Attenberger.

Schritte 4+5 – Datenextraktion und Feature Selection

Auch hier bestehe noch eine große Variation hinsichtlich Nomenklatur, Methodik und Softwareimplementierung.

Vier Feature-Gruppen hob Attenberger hervor:

  • Intensity/ Histogram
  • Shape (Form)
  • Texture
  • Wavelet Features

Jede dieser Featuregruppen besteht wieder aus Features, die sich in unterschiedliche Matrices einordnen lassen. Für weitere Informationen zu Features und verschiedenen Extraktionsmethoden empfahl Attenberger das Python Open-Source Portal Pyradiomics, ein Projekt des Computational Imaging & Bioinformatics Lab der Harvard Medical School.

Attenberger nannte mehrere Anwendungen, zum Beispiel zur Texturanalyse. Unter anderem habe die Texturanalyse von T2-Maps eine höhere Sensitivität und Spezifität für die akute infarktähnliche Myokarditis ergeben als der Referenzstandard endomyokardiale Biopsie (Baessler 2018). „Die Texturanalyse erlaubt Differenzierung“, so Attenberger.

Allerdings bestehe die Gefahr des „Datenoverfittings“. Ist das Modell zu einfach, würden essentielle Variablen womöglich nicht berücksichtigt; berücksichtigt das Modell zu viele Features, wird das Ergebnis irrelevant. Die Kunst ist also, die richtigen Features zu extrahieren: Sie müssen reproduzierbar, robust, nicht-redundant und informativ sein.

Schritt 6 – Klassifizierung

Die Wahl der Klassifizierungsmethode beeinflusst die diagnostische Qualität enorm. Für klinische Ziele wie die nicht-invasive Quantifizierung und das Monitoring tumorphänotypischer Charakteristika ist die richtige Klassifizierung also sehr wichtig (Parmar 2015).

Es gelte, unterschiedliche Klassifikationen für die eigene Fragestellung zu testen, so Attenberger: „Nicht immer ist der genaueste Klassifikator auch am besten nutzbar“.

Qualität

Abschließend wies Attenberger erneut auf den von Philippe Lambin und seinem Team publizierten Qualitätsscore hin (Lambin 2017, Sanduleanu 2018). Er bepunktet jeden Schritt innerhalb einer Radiomics-Analyse. Der Maximalwert liegt bei 36 Punkten. Anhand dieser Matrix kann lasse sich jeder Radiomics-Prozess bewerten.

„Die Open Data Community muss sich sicher werden, über welche Methoden sie zu welchen Ergebnissen kommt“, forderte Attenberger. Ein zweiter großer Bereich, den es weiter zu beackern gelte, seien die juristischen Aspekte von Radiomics.

 

Referenzen

Baessler B et al.
Cardiac MRI Texture Analysis of T1 and T2 Maps in Patients with Infarctlike Acute Myocarditis.
Radiology. 2018;289(2):357-65

Baessler B et al.
Robustness and Reproducibility of Radiomics in Magnetic Resonance Imaging: A Phantom Study.
Invest Radiol. 2019;54(4):221-8

Lambin P et al.
Radiomics: the bridge between medical imaging and personalized medicine.
Nat Rev Clin Oncol. 2017;14(12):49-762

Parmar C et al.
Machine Learning methods for Quantitative Radiomic Biomarkers.
Sci Rep. 2015;5:13087

Pyradiomics – Bibliothek

Pyradiomics – Tutorial

Sanduleanu S et al.
Tracking tumor biology with radiomics: A systematic review utilizing a radiomics quality score.
Radiother Oncol. 2018;127(3):349-60

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