RöKo 2021 – Haftungsrisiko Hygiene
Bei einem behaupteten Hygienemangel müssen Kliniken und Praxen erheblich mehr zur Klärung beitragen als früher. Das verlangen mehrere aktuelle Urteile des BGH.
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Präsentationstag:25.09.2021 0 Kommentare
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Autor:mh/ktg
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Sprecher:Tonja Gaibler, München
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Quelle:RöKo 2021
Die Situation ist bekannt: Ein Patient, eine Patientin behauptet einen Hygienemangel. Musste er oder sie bislang wie bei einem Behandlungsfehler den Mangel beweisen, hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit gleich mehreren Urteilen in 2019 und 2020* die Situation zugunsten der PatientInnen geändert.
Tonja Gaibler, Fachanwältin für Medizinrecht aus München und vielen RadiologInnen bekannt, erläuterte beim Röntgenkongress, was sich für die Behandlerseite geändert hat.
Geringere Anforderungen an PatientInnen
Die Anforderungen an die PatientInnen wurden deutlich verringert, mit der Begründung, dass sie medizinische Laien sind und ihnen eine substanzielle Darlegung der Hygieneverstöße meist weder möglich noch zumutbar seien.
Insbesondere muss der/die KlägerIn nicht die möglichen Entstehungsursachen einer Infektion ermitteln und vortragen. Es reicht nunmehr aus, das Verhalten vor Ort zu schildern, aus dem er/sie die vermutete Ursache für den gesundheitlichen Schaden ableitet.
Erweiterte Darlegungslast für BehandlerInnen
Neu ist für die Behandlerseite: Sie muss bei einem behaupteten Hygienemangel „mit näheren Angaben erwidern“, so die Anforderung des BGH. Ein bloßes Abstreiten reicht dann nicht aus.
Begründung: Über die notwendigen Informationen zur Klärung verfügt nur die Behandlerseite. Das trifft auf die Existenz möglicher Infektionsquellen ebenso zu wie auf Maßnahmen, die von der Behandlerseite unternommen wurden, um die Hygienebestimmungen einzuhalten und Infektionen zu verhindern.
„Der Behandler muss diese Dinge jetzt im Prozess darlegen, nicht beweisen“, sagte Gaibler. Das geschieht beispielsweise durch Vorlage von Desinfektions- und Reinigungsplänen, einschlägiger Hausanordnungen und Bestimmungen des Hygieneplans. „Die Problematik dürfte im niedergelassenen Bereich wohl gravierender sein als im Krankenhaus“, vermutete Gaibler.
* Urteile des BGH vom 19.2.2019 (VI ZR 505/17), 25.6.2019 (VI ZR 12/17), 18.2.2020 (VI ZR 280/19) und 24.11.2020 (VI ZR 415/19)