RöKo 2022 – Koronare CTA oder Herzkatheter: Was ist wann sinnvoll?
Zur Leistung der koronaren CT-Angiographie: Die CT schneidet periprocedural besser ab als der Herzkatheter.
-
Präsentationstag:25.05.2022 1 Kommentare
-
Autor:kf/ktg
-
Sprecher:Matthias Gutberlet, Universitätsklinikum Leipzig
-
Quelle:RöKo 2022
Die Koronardiagnostik erlebt derzeit einen Shift von invasiven zu nicht-invasiven Methoden. Wo die cCTA dem Herzkatheter den Rang abläuft, erläuterte Mathias Gutberlet, Universitätsklinikum Leipzig:
Besser als der Herzkatheter schneidet die cCTA periprocedural ab bei PatientInnen mit stabilem Thoraxschmerz und intermediärer Prätest-Wahrscheinlichkeit für eine KHK. Das ergibt die Ende April 2022 veröffentlichte DISCHARGE-Studie, die die Leistung der Koronar-CT-Angio mit der des Herzkatheters vergleicht (DISCHARGE Trial Group 2022).
Was bringt die cCTA?
Bekannte Vorteile der cCTA sind ihre hohe Sensitivität für eine KHK und ihr hoher negativer Vorhersagewert, weswegen sie sich hervorragend für den Stenoseausschluss eignet: „Wenn Sie in der CT sehen, der Patient hat nichts, dann hat er nichts“, so Gutberlet.
Allerdings stößt die cCTA an Grenzen bei der Detektion obstruktiver Stenosen und bei der Einschätzung der Hämodynamik intermediärer Stenosen. Diverse Studien zeigen, dass mehr als 50% der als obstruktiv beschriebenen Koronarstenosen nicht hämodynamisch signifikant sind (COURAGE-Studie, Boden 2007; Pijls, DEFER-Studie 2007; FAME-Studie, Fearon 2007).
Die CT-Perfusion kann die Hämodynamik abbilden und so die Therapieentscheidung verbessern. Gutberlet favorisiert hier die dynamische, kontrastmittelgestützte CT-Perfusion mit Late Enhancement, um auch Narbengewebe zu detektieren. Gegen die statischen Protokolle spreche ihre problematische zeitliche Auflösung.
Die FAME-Studie ergab bereits vor 15 Jahren, dass nach Revaskularisationen, die auf Basis der fraktionellen Flussreserve (FFR) durchgeführt wurden, 28% weniger schwere kardiale Komplikationen auftraten, als auf Basis der Informationen aus der reinen Angiographie.
Was kann die FFRCT?
Für den Ischämienachweis ist die invasive FFR-Messung bisher Goldstandard.
Mit der FFRCT lässt sich der Ischämiegrad aber ebenso nachweisen – die nicht-invasive Methode hat inzwischen als erste weiterführende funktionelle Analyse der cCTA Einzug in die klinische Praxis gehalten.
Um die fraktionelle Flussreserve in der CT (FFRCT) zu ermitteln, nutzt man die Daten der CTA. Daraus lassen sich Druck und Fluss entlang des gesamten Koronarbaums berechnen (im Gegensatz zur invasiven FFR-Messung, die nur am Druckdraht des Katheters in einem Gefäß misst). Da die FFRCT mathematisch simuliert wird, fällt für PatientInnen keine zusätzliche Strahlenbelastung an. Voraussetzung für die FFRCT ist aber eine gute cCTA. „Die Mathematik ist kompliziert, aber die Ergebnisse sind nicht schlecht“, erläuterte Gutberlet.
Dass die FFRCT Kostenersparnisse gegenüber dem Herzkatheter birgt, zeigt die multizentrische PLATFORM-Studie (Hlatky MA 2015). Sie ist allerdings insofern limitiert, als sie den FFRCT-Anteil nicht separat ermittelt hat. Gutberlet geht davon aus, dass der größte Spar-Effekt schon allein durch den Einsatz der cCTA statt des Herzkatheters entsteht.
Die Auswertung der Hämodynamik mit KI ist derzeit ebenfalls Gegenstand der Forschung. Die Sensitivität und Spezifität von Computational Fluid Dynamics (CFD) oder Machine-Learning-basierten Algorithmen sind gut. Allerdings bieten sie bisher kaum Zusatznutzen zur alleinigen CTA, so Gutberlet. Eine Metaanalyse (Gutberlet 2020) zeigt außerdem, dass die Daten in bis zu 12% der Fälle maschinell nicht verwertbar sind.
Vergütung derzeit beim G-BA
Perspektivisch erwartet Gutberlet einen standardisierten radiologischen Algorithmus zur Einschätzung einer KHK – analog zu BIRADS in der Brustbildgebung. „Er muss anhand der Hämodynamik Aussagen machen über den klinischen Effekt – kann der Patient nachhause, muss er weiter auf die medizinische Station oder ist ein weiteres diagnostisches Verfahren nötig?“ erläuterte Gutberlet.
Derzeit wird die cCTA als mögliche Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) geprüft. Eine Aussage des G-BA wird Mitte des Jahres erwartet.
Am Ende könnte stehen, dass der AllgemeinmedizinerInnen ihre PatientInnen in die Radiologie-Praxis schicken, um ein chronisches Koronarsyndrom einschätzen zu lassen. Sollte die GKV die cCTA vergüten, werden sich PatientInnen-Ströme vermutlich hin zur Radiologie verschieben. „Es geht nicht nur um Patienten mit klinisch relevanter KHK, sondern gerade um Patienten mit subklinischer KHK – für die ist die Radiologie besonders relevant“, betonte Gutberlet. Die Kardiologen müssten sich aber keine Sorgen machen, sie würden deshalb nicht weniger zu tun bekommen. Es werde eher zu einem „magischen Dreieck“ aus Radiologie, Kardiologie und Allgemeinmedizin kommen.
Referenzen
Boden WE et al. Optimal medical therapy with or without PCI for stable coronary disease.
N Engl J Med 2007;356:1503-16
Coenen A et al. Diagnostic accuracy of a machine-learning approach to coronary computed tomographic Angiography- based fractional flow reserve: result from the MACHINE consortium.
Circ Cardiovasc Imaging 2018;11:e7217
DISCHARGE Trial Group et al. CT or Invasive Coronary Angiography in Stable Chest Pain
N Engl J Med 2022;386(17):1591-1602.
Fearon WF et al. Rationale and design of the Fractional Flow Reserve versus Angiography for Multivessel Evaluation (FAME) study.
Am Heart J 2007;154:632-36[Erratum, Am Heart J 2007;154:1243]
Gutberlet M et al. Werden die Karten der CT- Koronarangiographie mit der FFRCT neu gemischt?
Herz 2020;45:431-440
Hlatky MA et al. Quality-of-Life and Economic Outcomes of Assessing Fractional Flow Reserve With Computed Tomography Angiography: PLATFORM
J Am Coll Cardiol. 2015;66(21):2315-23.
Pijls NH et al. Percutaneous coronary intervention of functionally nonsignificant stenosis: 5-year follow-up of the DEFER Study.
J Am Coll Cardiol 2007;49:2105-11