RöKo 2019 – Das Patientengespräch in der Radiologie
„Gute Kommunikation ist erlernbar“, meint Alexander Mundinger, ärztlicher Direktor des Zentrums für Radiologie am Marienhospital Osnabrück. Und: „Gelungene Kommunikation macht Spaß.“
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Präsentationstag:30.05.2019 0 Kommentare
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Autor:mh/ktg
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Sprecher:Alexander Mundinger, Marienhospital Osnabrück
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Quelle:100. Deutscher Röntgenkongress 2019
„Ich führe jeden Tag sehr viele Patientengespräche, weil ich im Bereich Brustkrebs tätig bin, und vor allem, weil es mir einfach wichtig ist“, so Alexander Mundinger vom Marienhospital Osnabrück.
Kasuistik: Verweigerung
Mundinger berichtete von einem befreundeten 62-jährigen Rechtsanwalt, bei dem Lebermetastasen diagnostiziert wurden. Der skeptische Betroffene wollte die Diagnose nicht wahrhaben, glaubte an Selbstheilung, wollte weiter arbeiten und war für die behandelnden Ärzte nicht zugänglich. Diese fühlten sich ihrerseits in Frage gestellt und überwiesen ihn an einen anderen Onkologen. Schließlich wurde offen mit der Diagnose konfrontiert, zeigte sich einsichtig, machte sein Testament, stimmte einer Chemotherapie zu und wurde erfolgreich behandelt.
Nach überstandener Therapie konnte Mundinger ihn zu seinen Erfahrungen befragen und nahm unter anderem dies daraus mit:
- Das Wort „palliativ“ war aus Sicht des Betroffenen unter allen Umständen zu vermeiden.
- „Wir stehen das durch“ – Zuversicht und Hoffnung müssen am Leben bleiben. Dazu gehöre auf ärztlicher Seite auch, so Mundinger, die individuelle Patientenwahrheit anzuerkennen und gelten zu lassen.
Überbringen schlechter Botschaften – SPIKES
Mit dem Konzept SPIKES stellte Mundinger fünf Aspekte vor, die helfen sollen, im Patientengespräch verbal und nonverbal Halt zu geben.
Setting – die richtige Gesprächssituation herstellen. Dazu gehört, sich als Radiologe mit Namen persönlich vorzustellen und direkten Augenkontakt aufzunehmen. Handy und Pieper gehören abgestellt. „Wir wollen in Ruhe sprechen können“ als Grundeinstellung.
Perception – Die Aufnahmebereitschaft des Patienten im Blick behalten. „Was wissen Sie über Ihre Situation?“
Invitation – Die Bereitschaft des Patienten mobilisieren, sich informieren zu lassen. „Wollen wir das gemeinsam besprechen?“ – Körperliches Berühren sei dabei keineswegs zwingend, so Mundinger, er selbst ziehe es vor, mit dem Patienten gemeinsam auf den Monitor zu sehen. Dem Patienten Freiraum lassen: „Sollen wir jetzt alle Testergebnisse besprechen oder nur einen Teil?“
Knowledge – Dem Patienten die entscheidenden Informationen vermitteln, einschließlich der Informationen, die er haben muss, um einen Befund und seine Situation einzuordnen und zu verstehen. „Ich muss Ihnen heute leider etwas Schlechtes mitteilen.“ Augenkontakt gerade in dieser Phase behutsam einsetzen, statt den Patienten unangenehm zu fixieren.
Jungen Radiologen empfahl Mundinger, sich auf das Kollegium zu berufen, um gegebenenfalls die eigene Autorität zu vergrößern: „Wir haben Ihre Befunde im Team mit den Oberärzten besprochen.“
Emotions – Die Gefühle des Patienten wahrnehmen und anerkennen. „Sie haben recht, wenn Sie jetzt traurig sind.“ Ein Augenkontakt, ein Nicken, ein Schweigen im rechten Augenblick können dem Patienten signalisieren, dass er verstanden wird. „Das ist das, was den Ärzten im Alltag am wenigsten gelingt“, so Mundinger.
Strategy – Hilfe in Aussicht stellen und eine Planung für die nächsten Schritte angehen. „Welches Vorgehen kann Ihnen jetzt am meisten nutzen?“
„Sie müssen darauf vorbereitet sein, dass es Menschen gibt, die mehr Abstand benötigen als andere“, sagte Mundinger. „Seien Sie innerlich bereit, sich einzulassen“ – auf den Kämpfer, auf den Zornigen, auf den Enttäuschten, auf den Depressiven.
Kasuistik: Zorn
Mundinger beschrieb den Fall einer Lehrerin mit erfolgreich behandeltem Mammakarzinom, die zur Kontroll-MRT einbestellt war. Zum vereinbarten Termin erschien sie eine Stunde zu spät, war angesichts ihrer aufwendigen Anreise sehr ungehalten. Die Diskussion um einen Ersatztermin eskalierte, sie war sich sicher, den nur telefonisch vereinbarten Termin korrekt notiert gehabt zu haben. In der Folge bekam die Patientin sogar Herzrhythmusstörungen.
Aufgefangen wurde diese ungewollte Abweichung von der Routine durch ein Telefonat Mundingers mit der Patientin. Darin räumte er ein, „der Fehler kann auch bei uns gelegen haben“. Das ermöglichte, wieder aufeinander zuzugehen; der Ersatztermin kam zustande. „zurückweichen, aber bei einer sachgerechten Lösung bleiben“, so beschrieb Mundinger sein Vorgehen. Egal ob Frustration, Trauer oder Enttäuschung, „der Patient erwartet, dass Sie darauf eingehen.“
Dass er damit genau die BAMBUS-Technik eingehalten habe, ohne sie zu kennen, habe er dann bei der Lektüre von Pamela Emmerlings „Ärztliche Kommunikation“ festgestellt (siehe Leseempfehlungen unten).
Fazit
Gute Kommunikation ist erlernbar, resümierte Mundinger. Gelungene Kommunikation mit den Patienten sorge für eine volle Praxis. „Bedenken Sie immer, wie Sie selbst gerne behandelt werden möchten, und gehen Sie mit dem Patienten um wie mit einem guten Freund, Bruder oder Schwester.“
Öffentliche Diskussion
„Was mache ich, wenn ein Patient sprachlich oder kognitiv bedingt nur eingeschränkt kommunikationsfähig ist?“, wollte ein Zuhörer wissen. „In solchen Fällen sind die grenzen der Kommunikation erreicht“, antwortete Mundinger, „dann sind Sie in der Rolle des Experten und Ihr Gegenüber in der des unmündigen Patienten.“ Dann sei das Verweisen an den behandelnden Arzt der richtige Weg.
Ein andere Teilnehmerin wies auf die Bedeutung einfacher Sprache hin. Einen Begriff wie „Funktionelle Läsion“ könne kaum ein Patient verstehen. Mundinger stimmte zu und meinte, man dürfe durchaus auch mal den Mut zur Reduktion haben. In manchen Fällen sei es angemessen, wenn die Botschaft hauptsächlich aus einem „Es wird gut werden“ bestehe.
„Versicherungen sagen uns doch, dass wir keine Schuld eingestehen dürfen. Wie geht das zusammen damit, dass man sein Bedauern äußern soll?“, so ein weiterer Teilnehmer. – „ Schuld ist eine medikolegale Angelegenheit“, sagte Mundinger. Wenn wirklich einmal Komplikationen aufträten, sollten jüngere Radiologen bei der Kommunikation immer den Chef ranlassen.
Leseempfehlungen
Ärztliche Kommunikation
Pamela Emmerling
Thieme – 2. überarbeitete und erweiterte Auflage 2019
Ich bin o.k. - Du bist o.k.
Thomas A. Harris und Irmela Brender
Transaktionsanalyse der Intuition
Eric Berne et al.