RöKo 2017 – Hat der Radiologe eine Zukunft?

RöKo 2017 – Hat der Radiologe eine Zukunft?

Künstliche Intelligenz wird die Arbeit der Radiologen tiefgreifend verändern. Anlass, Angst zu bekommen, oder eher sich auf eine schöne neue Welt zu freuen?

  • Präsentationstag:
    24.05.2017 0 Kommentare
  • Autor:
    if/ktg
  • Sprecher:
    Michael Forsting, Universitätsklinikum Essen
  • Quelle:
    Deutscher Röntgenkongress 2017

Computer werden immer schlauer. Komplexe Spiele wie Schach oder Go sind für Computerprogramme schon längst keine Herausforderung mehr. Erst kürzlich hat ein neuronales Netzwerk sogar einen der weltbesten Pokerspieler geschlagen, obwohl hier der Erfolg nicht rein auf Logik – der Königsdisziplin der Computer – sondern auch auf Psychologie beruht. Michael Forsting vom Universitätsklinikum Essen ist überzeugt, dass künstliche Intelligenz bald auch in der Radiologie eingesetzt wird. Denn gerade die Bildanalyse bietet sich dafür an. Computer könnten das nicht selten fehlerbehaftete visuelle Urteilsvermögen der Menschen bald übertrumpfen und auch komplexe, multiparametrische Analysen mit geringeren Fehlerrisiken durchführen.

Was nach Zukunftsmusik klingt, steht eigentlich schon mit einem Bein in der Tür der Medizin, wie Forsting feststellte. Erst kürzlich hat in den USA ein neuronales Netzwerk seine Fähigkeiten in der Diagnostik erfolgreich unter Beweis gestellt. Das auf die Erkennung von Hautkrebs spezialisierte Programm trat gegen die 25 besten Dermatologen des Landes an und lieferte in der Analyse von abfotografierten dermatologischen Auffälligkeiten genauso viele richtige Krebsdiagnosen wie die menschlichen Gegenspieler.

Rechtliche Aspekte

Doch selbst wenn solche Systeme bald die Fertigkeiten der Radiologen in einigen Gebieten übertreffen könnten, werden sie nicht so schnell Einzug in die Praxis finden – zumindest nicht in Europa. Denn im Moment sind noch viele rechtliche Fragen zu klären. Neben datenschutzrechtlichen Aspekten müssen auch Schuldfragen bemüht werden: Was passiert, wenn die Maschine einen Fehler macht? Wer muss dafür einstehen? Denn eines ist Forsting klar: „Die Maschine geht nicht ins Gefängnis. Das Zauberwort an dieser Stelle ist Qualitätsmanagement.“ Forsting verwies dabei auf die Labordiagnostik, in der schon seit längerem automatische Analysesysteme die Routineaufgaben der Diagnostiker übernommen haben.

Welche Disziplin ist zuerst dran?

Computer-Algorithmen haben sich bereits tief in unseren Lebensalltag eingeschlichen. Konsumenten sind seit längerem damit konfrontiert, wenn sie beispielsweise Dienste wie Amazon oder Google benutzen. Unser Kaufverhalten wird gespeichert und analysiert, um uns auf unsere Bedürfnisse zugeschnittene Werbung vorzuhalten. Auch vor der Medizin werden künstliche Intelligenz und Deep Learning nicht Halt machen. Forsting ist überzeugt, dass zuerst die diagnostischen Bereiche der Radiologie damit konfrontiert sein werden. In der interventionellen Radiologie werde der Trend etwas langsamer voranschreiten. „Ein Aneurysma im Kopf ist noch lange nicht von einem Roboter behandelbar“, argumentierte Forsting.

Er sehe die Entwicklung aber generell positiv und habe keine Angst, dass Radiologen durch künstliche Intelligenz komplett verdrängt werden: „Klar wird es weiterhin Radiologen geben! Wir müssen nur vielleicht nicht mehr die langweiligen Sachen machen. Mammographie- und Lungenscreening zum Beispiel.“ Generell könnten allerdings in Zukunft weniger Radiologen gebraucht werden. Um sich einen Platz im Räderwerk zu sichern, riet Forsting den angehenden Radiologen, sich in einem akademischen Setting, wie einer Universitätsklinik, ausbilden zu lassen: „Da ist der Korridor breiter, in dem man sich nachher hinbewegen kann“, argumentierte er. Abzuraten wäre allerdings von einer Ausbildung in kleinen Kreiskrankenhäusern auf dem Land, wo die Stelle des Radiologen schneller wegfallen könnte.

Wer wird daran verdienen?

Die Gewinner aus finanzieller Sicht dürften laut Forsting neben den Geräteherstellern auch die Verlage sein. „Verlage haben das Lehrbuchwissen. Es besteht eine große Chance, damit weiter zu kommen.“ Ein weiterer Vorteil der Verlage sei ihr Knowhow in Sachen semantisches Lesen.

Forsting sah aber auch für die großen Kliniken gute Verdienstmöglichkeiten. „Was wir haben, sind die Daten. Und die sind das Öl in der ganzen Geschichte“, erklärte er – die Frage sei nur: „Wie also das Öl anbohren und an die Erdoberfläche bringen?“

Möglichkeiten in der Forschung

Auch wenn Deep Learning und künstliche Intelligenz schon jetzt in aller Munde ist, steht die Technik in der Radiologie erst am Beginn ihrer Karriere. Auch der Einsatz in der Forschung müsse erst erprobt werden, dann aber könnte sich die Arbeitsweise in der klinischen Forschung stark verändern. Forsting riet dazu, für diese Zwecke die IT aufzurüsten, um die strukturellen Voraussetzungen für Deep Learning zu schaffen.

Doch nicht nur die Technik müsse bereit sein für diesen Prozess, sondern auch die Radiologen. „Viele Leute müssen beginnen, etwas verändern zu wollen, und dann Ideen ausprobieren“, verdeutlichte Forsting. Schädlich für diesen Schritt wäre eine zu frühe Regulierung, denn: „Die Kreativität der Radiologen ist gefordert.“

Radiologen können Deep Neuronal Learning sogar ohne teure Software ausprobieren, etwa mit der Open-Source Software ‚Tensor-Flow’. Das Programm ist für die verschiedensten Anwendungsbereiche gestaltet, die nicht rein auf medizinische Disziplinen fokussiert. Es können jede Art von Daten hinterlegt werden, aus denen das Programm dann Muster erkennt. „Das geht für Autos, aber auch zum Erkennen von Lymphknoten.“

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